Christian Torkler

Der Platz an der Sonne

 

2018

   

 

 

 

 

 

Klett-Cotta

592 Seiten



Eine Alternativweltgeschichte, in der das heutige Deutschland so nicht existiert, sondern aufgrund von einigen etwas anders verlaufenen Ereignissen nach dem zweiten Weltkrieg in sechs Einzelstaaten zerfallen ist.

Erzählt wird die Lebensgeschichte eines Bewohners der "Neuen Preußischen Republik", der sich in deren Hauptstadt Berlin durchzuschlagen versucht. Dabei hat er in diesem äußerst rückständigen Land mit Armut, wechselnden autoritären Regimen, Korruption, Gewalt, Bürokratie und organisiertem Verbrechen zu kämpfen. Trotz etlicher Rückschläge gibt er seinen Traum von einem besseren Leben nicht auf und versucht tapfer, nach jeder Niederlage wiederaufzustehen. Doch irgendwann hat auch er die Nase voll und versucht sein Glück woanders zu finden ... und stößt dabei auf Schwierigkeiten ganz anderer Art. Schwierigkeiten und Widerstände, die uns zu Beginn des 21. Jahrhunderts nur allzu bekannt vorkommen.

 

Es soll Leute geben, die sich mit Alternativweltgeschichten als SF-Motiv grundsätzlich schwer tun. In diesem Fall kommt noch "erschwerend" hinzu, dass die Entstehung der hier beschriebenen Welt absolut zweitrangig ist - sprich: es wird auf gerade mal zwei bis drei Seiten und quasi nebenbei erwähnt, wie es dazu gekommen ist. Die meisten Fragen, wieso und wie Deutschland und der Rest der Welt hier so wurden wie sie sind, werden überhaupt nicht weiter erläutert.

Das könnte all jene enttäuschen, die dadurch das Gefühl haben, um eine spannende Geschichte gebracht zu werden, nämlich die der Entwicklung hin zu jener Alternativwelt. Klar ist: Wenn auf diese Hintergründe detailliert eingegangen worden wäre, dann hätte das einen völlig anderen (zweifellos ebenfalls sehr interessanten) Roman ergeben … aber hier soll es eben um ein ganz anderes Thema gehen! Dessen sollte man sich bewusst sein.

Der Schwerpunkt lautet also nicht: "Wie hätte ein alternativer Geschichtsverlauf aussehen können?", sondern vor allem "Wie würden wir uns verhalten, wenn wir in andere Verhältnisse hineingeboren worden wären?"

Eben diese Verhältnisse - dieses Leben unter umgekehrten Vorzeichen - wird überaus glaubwürdig wiedergegeben (auch wenn gegen Ende vielleicht zwei bis drei Haken zu viel geschlagen werden), und zwar in einer authentischen Sprache und aus Sicht eines Protagonisten, dessen Denk- und Handlungsweise man absolut nachvollziehen kann (auch wenn er hier und da manchmal etwas naiv rüberkommt).

 

Somit demonstriert dieser Roman eindrucksvoll, was gute SF leisten kann: Uns anhand einer Welt, die es so nicht gibt, unsere reale Welt vor Augen führen! 

Ein sehr beeindruckendes Buch, das haargenau in die aktuelle Zeit passt.

 


Christian Torkler

Der Platz an der Sonne

Eine sf-Lit - Kurzkritik von 2019