14. Juni 2017

Interview mit

Dirk van den Boom



Hallo Herr van den Boom, zunächst einmal: Herzlichen Glückwunsch! Ihr Roman "Prinzipat", Teil 1 der Romantrilogie "Die Welten der Skiir", hat in diesem Jahr den "Deutschen Science Fiction Preis" gewonnen.

Sie haben sich in der Vergangenheit schon mal dahingehend geäußert, dass Sie auf solcherlei Preise keinen allzu großen Wert legen - es sei denn, sie sind dotiert.

Gibt es denn schon Pläne, wie die 1.000 Euro Preisgeld nun verprasst werden sollen?

Und ganz unter uns: Hat sich abgesehen davon vielleicht doch auch ein bisschen Stolz eingestellt?


Ich lege keinen allzu großen Wert auf Preise, denn wenn ich es täte, wäre ich ja jedes Mal am Boden zerstört, wenn ich wahlweise nicht nominiert worden wäre oder ihn nicht bekäme, in letzterem Falle also schon immer. Also schützt man sich durch eine solche Haltung natürlich selbst, um das zarte Pflänzchen von Selbstbewusstsein, das man zum Schutze der verletzlichen Künstlerseele gehegt und gepflegt hat, einigermaßen zu schützen. Aber jetzt hat es mal geklappt, und natürlich bin ich stolz, und froh darüber, mit dem Preisgeld wieder irgendwas absolut Notwendiges für meine Tochter kaufen zu dürfen.

 

Bisher sind die meisten Ihrer Bücher im Atlantis Verlag erschienen, die Romane aus der "Die neunte Expansion"-Reihe bei Wurdack.

Mit "Die Welten der Skiir" haben Sie nun erstmals im Cross Cult Verlag veröffentlicht. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande? Und von wem stammte der Vorschlag, dass es eine Trilogie werden soll?

Es war ganz simpel: eines schönen Tages auf Facebook kam eine Nachricht vom Programmchef von CC für den Romanbereich, Markus Rohde, der einfach mal nachfragte. Ich habe dann Ja gesagt und einige Ideen formuliert, damals war noch gar nicht klar, ob für einen einzelnen Roman oder für eine Trilogie. Ich war damals wie heute der Ansicht, dass sich Mehrteiler tendenziell eher besser verkaufen und Markus hatte gegen den Vorschlag einer Trilogie nichts einzuwenden, am Ende entschied natürlich die Verlagsleitung um Andreas Mergenthaler. So kam das zustande. Ein sehr schneller und reibungsloser Prozess.

 

Wie darf man sich Ihre Herangehensweise an dieses Projekt vorstellen?

"Ich erschaffe ein komplexes Universum mit einer gewaltigen Hintergrundgeschichte und schaue mal, wie sich die Menschen darin schlagen." So in etwa?

Nein, denn um ein solches Universum zu erschaffen, hätte ich mir ja vorher großartige Gedanken machen müssen. Tatsächlich war die Ausgangsidee eine halbe A4-Seite lang und dann fing ich an zu schreiben. Was zu dem Zeitpunkt in meinem Kopf tatsächlich existierte, war der Einstieg in das erste Kapitel. Sonst nichts. Ich bin nicht so der leidenschaftliche Exposé-Autor, ich entwickle die Dinge beim Schreiben, und manchmal ist dann ein wenig retro-engineering notwendig, wenn ich mir im Verlaufe des Schreibprozesses selbst zu widersprechen beginne - was mehr oder weniger unausweichlich der Fall ist. Also stimmt der zweite Teil des Satzes: "Schaue mal" ist eine ganz gute Erklärung der Art, wie ich Romane schreibe.

 

Der Humor spielt in Ihren Geschichten immer eine wichtige Rolle. Bei den "Skiir" scheint er etwas zurückgenommen zu sein, er wird hier etwas dezenter eingesetzt. Würden Sie zustimmen? Und wenn ja: War das eine bewusste Entscheidung?

Ja und nein. Das geht immer ganz automatisch. Manchmal drängen sich Situationen und Dialoge auf, die witzig gut wirken könnten, und hin und wieder habe ich so meine sarkastischen Phasen. Aber letztlich ist es der Kontext, der sich für Humor mal mehr oder mal weniger gut eignet. Oft ist es so, dass ich am Anfang eines mehrteiligen Projektes ernsthafter schreibe, und im Verlaufe dann der Humor mehr durchschlägt, weil ich verstehe, was das überhaupt für Protagonisten sind, mit denen ich arbeite, ich mich ihnen vertrauter fühle. Wie gesagt, auch hier spielt das "Schaue mal" eine wichtige Rolle.

 

Durch welche Autoren sind Sie selbst eigentlich einst zur SF gekommen? Und welche lesen Sie heute am liebsten?

Ich habe vor allem mit Heftromanen angefangen, speziell Perry Rhodan und Ren Dhark. Ich war jahrelang eigentlich ein fast reiner Heftromanleser, so ab dem

12. Lebensjahr. Das änderte sich später, und ich habe eine Leidenschaft etwa für die Military SF entwickelt. Heute gehören Neal Asher, Alastair Reynolds, Andreas Brandhorst, Jack Campbell und Dan Abnett zu meinen bevorzugten Autoren. Ich folge aber manchmal auch blind den Empfehlungen von Amazon und kaufe einfach irgendwas. Ich lasse mich auch überraschen, nicht immer positiv, aber auch nicht immer negativ.

 

Ihre erste eigene Romanserie war die "Tentakel"-Reihe - ein actionreiches Military SF - Spektakel, von dem bisher acht Bände erschienen sind. Soll die Geschichte nach dem neunten Teil endgültig abgeschlossen sein? Oder ist noch eine Verlängerung denkbar?

Nein, Band 9 ist wirklich der Letzte, außer, man zwingt mich mit richtig viel Geld. Irgendwann ist die Geschichte leer erzählt, und bei den Tentakeln bin ich, denke ich, an dieser Stelle angekommen. Es ist auch gut so, das macht den Kopf frei für neue Projekte.

 

Eine ähnliche Frage gilt der Reihe um den wackeren Konsul Casimir Daxxel, der als aufrechter Botschafter der Menschheit mit allerlei Unannehmlichkeiten (diplomatischen Verstrickungen, kulturellen Missverständnissen, unfreundlichen Alienrassen etc.) zu kämpfen hat: Ist sie nach den bisherigen drei Bänden "Eobal", "Habitat C" und "Meran" endgültig begraben oder besteht doch noch Hoffnung auf eine Fortsetzung?

Eigentlich besteht keine große Hoffnung, da sich der dritte Band recht schlecht verkauft hat und ich gewisse Prinzipien habe, was die erwartete Rentabilität meiner Romane angeht. Wenn da nicht eine klar definierte Marke erreicht wird, ist ein Projekt für mich unrentabel und ich würde meine Zeit damit verschwenden, es fortzusetzen. Bei den Daxxel-Romanen ist das derzeit so. Sollte Band 3 jemals über diese Marke rutschen, schreibe ich auch gerne einen vierten Roman, eher aber nicht.

 

 Die beiden Romane "Ein Lord zu Tulivar" und "Ein Prinz zu Tulivar" stellten erste Ausflüge ins Fantasygenre dar. Ist noch mehr in dieser Richtung zu erwarten? Sei es ein neuer "Tulivar"- Band oder vielleicht etwas ganz Neues?

Ich schreibe definitiv einen dritten Tulivar-Band, da das oben genannte Kriterium von den ersten beiden erfüllt wurde. Ich hoffe, dass er im kommenden Jahr erscheinen wird.

 

Sie sind im Hauptberuf Politikwissenschaftler, da ist es fast schon naheliegend, dass die Themengebiete Politik und Diplomatie in vielen Ihrer Romane eine wichtige Rolle spielen.

Und dann gibt es da noch die "Kaiserkrieger" - eine Alternativweltreihe, in der ein deutsches Kriegsschiff der Kaiserlichen Marine aus dem Jahr 1913 mitsamt Besatzung per Zeitsprung ins Römische Reich des 4. Jahrhunderts versetzt wird.

Waren Sie neben Politik auch immer schon an Geschichte interessiert oder doch eher ein "Fachfremder", so dass Recherche und Aneignung von Hintergrundwissen in diesem Fall eine ganz besondere Herausforderung darstellten?

Ich bin Nebenfachhistoriker, und da die Politikwissenschaft als Integrations-wissenschaft auch immer Geschichte mit einbezogen hat, war mir das Thema niemals fremd. Beides waren Themen, die mich früh interessiert haben, und daher habe ich zumindest manche Recherchetechniken gelernt, die sich anschließend als hilfreich erwiesen. Thematisch aber baue ich viele Sachen ein, die ich "sowieso" weiß, nur bei den Kaiserkriegern habe ich jemals ernsthafte Recherche betrieben, um mich mit wichtigen historischen Details vertraut zu machen, die beim besten Willen nicht zum Allgemeinwissen zählen.

 

Sie schreiben in erster Linie Roman-Serien. Hat das ausschließlich wirtschaftliche Gründe oder hängt es ganz einfach mit einer persönlichen Vorliebe für richtig lange Geschichten zusammen? (Dafür würde ja auch Ihre schon mehrfach geäußerte ausdrückliche Abneigung gegen Kurzgeschichten sprechen.)

Ja und ja. Beides. Zum einen bin ich der Überzeugung, dass man mit Mehrteilern mehr Geld verdienen kann, und ich schreibe als Nebenerwerb, nicht als Hobby. Zum anderen entspricht es meinen eigenen Lesegewohnheiten, und eigentlich sollte man immer schreiben, was man selbst auch gerne lesen würde. Es fällt also beides zusammen.

 

Apropos richtig lange Reihen: War "Dirk van den Boom und Perry Rhodan" schon jemals ein Thema?

Keine Ahnung, muss man mal den Perry fragen.

 

Beim Cross Cult Verlag erscheint nach den "Welten der Skiir" ab 2018 eine weitere Trilogie: "Die Reise der Skythe". Beim Titel der Reihe - ebenso wie bei der Untertitelung der einzelnen Bände - fällt eine gewisse Ähnlichkeit auf.

Stehen die beiden Trilogien in irgendeinem Zusammenhang zueinander?

Die Gestaltung der Romane wurde ähnlich gemacht, um den Wiedererkennungswert zu steigern. Vergessen wir nicht: die Romane von CC stehen auch im Buchhandel, wo man meine anderen Werke kleinerer Verlage eher selten vorfindet. Inhaltlich haben die beiden Trilogien aber nichts miteinander zu tun.

 

Sie gelten als einer der Fleißigsten Ihrer Zunft. Wenn man pro Jahr 5-6 Romane veröffentlicht: Wie weit in die Zukunft kann man künftige Projekte da eigentlich planen, ohne den Überblick zu verlieren?

Gar nicht. Ich bemühe mich nicht um einen Überblick, halte ihn für weitgehend überflüssig und gemeinhin überschätzt.

 

Falls es da draußen tatsächlich noch Menschen geben sollte, die noch nie ein Werk von Dirk van den Boom gelesen haben: Was würden Sie zum Einstieg empfehlen?

Das hängt ja von den persönlichen Vorlieben ab. Es gibt keinen Roman, den ich einfach so empfehlen würde, ohne die Präferenzen des potenziellen Lesers zu kennen. Wer Alternative History mag, der kann vielleicht einen meiner SF-Romane gar nicht leiden, und wer SF mag, wird den Tulivar nicht mögen. Um ehrlich zu sein, vergesse ich relativ schnell nach dem Schreiben auch, worum es in den bereits fertiggestellten Werken eigentlich ganz genau ging und wie ich diese fand. Wie gesagt: kein Überblick.

Ich finde, dass jeder neue Leser alle Romane kaufen sollte. Damit macht man keinen Fehler.

 

Das klingt nach einer sehr vernünftigen Methode.

Wer eine kleine Anleitung für dieses Projekt benötigt, kann sich  übrigens auf Dirk van den Booms Blog "SF-Boom" einen Überblick über sein gesamtes bisheriges Werk verschaffen: HIER.

 

Zunächst dürfen wir uns aber in den kommenden Monaten auf den neunten und letzten "Tentakel"-Band, einen neuen "Kaiserkrieger"-Roman sowie auf den Abschluss der

- preisgekrönten (!) - "Skiir"-Trilogie freuen. Es gibt viel zu tun.

 

 

Dirk van den Boom, vielen herzlichen Dank für dieses Gespräch.