26. Mai 2016

Interview mit Andreas Brandhorst



Hallo Herr Brandhorst. Zunächst einmal aus ganz aktuellem Anlass: Ihr letzter Roman "Das Schiff" hat gerade den Deutschen Science Fiction Preis gewonnen; nach 2013 für "Das Artefakt" ist das bereits Ihr zweiter DSFP-"Titel". Herzlichen Glückwunsch dazu!

Was bedeutet eine solche Auszeichnung in erster Linie für Sie? Bestätigung? Ansporn? Nettes Andenken? Willkommenes Marketing?


Ich nehme solche Preise vor allem als Anerkennung, und vielleicht sind sie auch Bestätigung. Ansporn? Nein, eigentlich nicht. Der Wille, gute Romane zu schreiben, ist immer da, ob meine Arbeit ausgezeichnet wird oder nicht. Ich versuche immer, das Maximum zu leisten, ein möglichst lebendiges Bild von meinen Figuren zu zeichnen und die Dinge, die mir am Herzen liegen, möglichst gut im jeweils aktuellen Roman zu verarbeiten.

 

Sie sind ja nun als Romanautor bekannt und - siehe oben - sehr erfolgreich. Aber bereits 1983 haben Sie mit der Kurzgeschichte "Die Planktonfischer" den Kurd-Laßwitz-Preis gewonnen. Wie viele Kurzgeschichten wurden von Ihnen insgesamt eigentlich veröffentlicht? Und haben Sie in den letzten Jahren überhaupt noch welche geschrieben?

Ich habe insgesamt 25 Kurzgeschichten geschrieben, und davon sind 21 erschienen. Vier (drei kurze und eine etwas längere) sind nie veröffentlicht worden, weil das damalige Projekt, eine Anthologie, nicht verwirklicht wurde. Wir reden hier von Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre. Seitdem sind rund 35 Jahre vergangen, und in dieser Zeit habe ich keine Kurzgeschichten mehr geschrieben. Längere Texte sind mir lieber.

 

Hat die Kurzgeschichte als Literaturform in der Science Fiction insgesamt an Bedeutung verloren? Oder vielleicht nur in Deutschland?

Science Fiction-Kurzgeschichten gibt es in Deutschland praktisch nur noch bei Kleinverlagen, in sehr überschaubaren Auflagen. Sie sind gewissermaßen ein Nischenprodukt innerhalb eines Nischenprodukts, von einigen Ausnahmen wie zum Beispiel SF-Geschichten im Computermagazin c't abgesehen. SF-Anthologien verkaufen sich nicht, und deshalb werden auch keine mehr von den Großverlagen publiziert. In anderen Ländern sieht die Sache etwas anders aus, aber im Großen und Ganzen gilt: Der Leser möchte epische Geschichten, in die er für längere Zeit eintauchen kann. Deshalb gibt es so viele mehrbändige Zyklen.

 

2003 haben Sie nach langjähriger Abstinenz wieder mit dem Schreiben begonnen und mit "Diamant" nach rund fünfzehn Jahren Ihren ersten Roman veröffentlicht. Gab es dafür eine Art Initialzündung? Warum wollten Sie wieder Romane schreiben?

Ich wollte wieder Romane schreiben, weil ich mich immer in erster Linie als Autor gesehen habe, nicht als Übersetzer. Mit "Diamant" habe ich am 1.1.2003 begonnen, das Datum war Programm: Ab diesem Tag sollte mein berufliches Leben in anderen Bahnen verlaufen, und das hat es getan.

 

Ein häufig wiederkehrendes Motiv in Ihren Büchern ist die Frage nach einem verlängerten oder gar ewigen Leben. Woher rührt Ihre besondere Faszination für diese Thematik?

Ich denke jeden Tag darüber nach, seit vielen Jahren, und je älter ich werde, desto tiefer werden diese Gedanken. Es ist die Beschäftigung mit der eigenen Sterblichkeit, mit der – bisher noch! – Unvermeidlichkeit des Todes, mit dem Verlust all dessen, was man sich ein Leben lang erarbeitet hat. Ich denke, dass wir eine der letzten Generationen von Menschen sind, die sterben müssen. Unsterblichkeit ist biologisch möglich, und die Wissenschaft wird uns früher oder später die notwendigen Werkzeuge geben, um dieses Ziel zu erreichen. Man stelle sich die Auswirkungen auf Kultur und Gesellschaft vor! Und was geschieht mit dem Individuum, wenn es beliebig viel Zeit zur Verfügung hat, um alle Pläne zu verwirklichen, um immer wieder "ein neues Leben" zu beginnen? In "Das Schiff" ist Unsterblichkeit ein zentrales Thema, wie zuvor auch in "Kinder der Ewigkeit", und ich bin noch längst nicht mit diesem Thema durch. Ich werde erneut darauf zurückkommen, da bin ich sicher.

 

Auf "sf-Lit.de" existiert eine (natürlich sehr subjektive) Aufstellung der "Deutschsprachigen SF-Romane, die gelesen werden sollten" und es war klar, dass auch ein zentrales Werk von Ihnen auf diese Liste gehört.

Die Wahl fiel auf "Diamant", da dieser Roman (wiederum sehr subjektiv betrachtet) als DAS zentrale bzw. repräsentative SF-Werk des Andreas Brandhorst angesehen werden kann. Würden Sie dieser These zustimmen? Hätten Sie einen anderen Favoriten? Oder wiegen für Sie persönlich, rückblickend betrachtet, alle Ihre bisherigen Romane gleich schwer?

Für mich haben alle meine Romane den gleichen Stellenwert. Keiner steht über oder unter einem anderen, mit einer kleinen Ausnahme: "Die Stadt" hat eine ganz besondere Bedeutung für mich. "Diamant" kommt vielleicht deshalb eine besondere Bedeutung zu, da es der erste Roman nach meiner langjährigen Tätigkeit als Fast-nur-Übersetzer war.

 

Welche Science Fiction - Autoren lesen Sie selbst besonders gerne?

Zum Beispiel Dan Simmons, Iain Banks, Robert Charles Wilson, Stephen Baxter und Alastair Reynolds. "Hyperion" von Dan Simmons und "Dune" von Frank Herbert sind meine absoluten SF-Lieblingsromane.

 

Und wie sieht es außerhalb des SF-Genres aus? Haben Sie bestimmte Lieblingsautoren, von denen Sie sich neu erschienene Bücher sofort zulegen? 

Seit einigen Jahren lese ich weniger SF und mehr Belletristik. Zu meinen Lieblingsautoren zählen Margaret Mazzantini, deren Sprache ich liebe, Marie-Sabine Roger (wie viel Menschlichkeit in ihren Romanen), John Williams (dessen Roman "Stoner" zusammen mit Mazzantinis "Venuto al mondo", dt. "Das schönste Wort der Welt", den ersten Platz auf meiner Bestenliste belegt), Reif Larsen (sein Roman "Die Karte meiner Träume" ist eine Offenbarung), Carla Guelfenbein (zum Beispiel ihr unter die Haut gehender Roman "Der Rest ist Schweigen") und nicht zu vergessen Nina George, deren "Lavendelzimmer" mich zutiefst beeindruckt hat. Außerdem lese ich viele Sachbücher.

 

Wie sehen die kommenden Projekte aus? In Ihrem nächsten Roman "Omni", der im Herbst erscheinen wird, soll ja ein ganz neues Universum geschaffen werden, das auch den Rahmen für den darauf folgenden Roman bildet.

Sind noch weitere Werke im "Omniversum" in Planung? Wird es eine zusammenhängende Reihe werden oder voneinander unabhängige Geschichten, die sich lediglich dasselbe Universum teilen?

Ja, mit "Omni" (Oktober 2016 bei Piper) kreiere ich ein neues Universum, das auch Bühne für weitere Romane sein soll. Der zweite Roman mit dem "Omniversum" als Hintergrund wird "Das Arkonadia-Rätsel" sein und erscheint im Frühjahr 2017. Weitere Romane werden folgen, sind derzeit aber noch nicht konkret geplant. Nach "Das Arkonadia-Rätsel" werde ich einen Belletristik-Roman schreiben, der im Herbst 2017 erscheinen wird, pünktlich zur Buchmesse, und anschließend kommt wieder ein SF-Roman, mit dem ich vielleicht, darüber denke ich derzeit nach, ins Kantaki-Universum zurückkehre.

Die im "Omniversum" angesiedelten Romane werden alle unabhängig sein, vergleichbar mit den Kultur-Romanen von Iain Banks, aber sie werden zusammen eine große Geschichte ergeben, ein großes Bild.

 

Das klingt ja schon nach überaus weitreichenden und vielfältigen Planungen.

Vom "König der Space Opera" wird demnächst also unter anderem auch ein "genrefremder" Roman erscheinen?

Der Belletristik-Roman, mit dem ich in den nächsten Wochen beginnen werde und der im Herbst 2017 erscheinen soll, ist alles andere als eine Space Opera. Worum es geht, kann ich noch nicht verraten, nur so viel: Es geht um ein Thema, das auch Freunde der fantastischen Literatur und insbesondere der Science Fiction interessieren dürfte, aber eben nicht nur. Es wird ein Roman sein, der sich an ein wesentlich breiteres Publikum richtet.

 

Wir dürfen also gespannt sein.

 

Viel Erfolg bei allen künftigen Projekten und natürlich herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Gespräch genommen haben.