Stephen Baxter

Das Ende der Menscheit

"The Massacre of Mankind"

 

2017

 

    

 

 

 

 

 

Übersetzung: Peter Robert

Heyne

488 Seiten

Broschierte Ausgabe 2017



 

Der Hintergrund

Mit Beginn des Jahres 2017 wurden die Werke von H.G. Wells "gemeinfrei", was bedeutet, dass siebzig Jahre nach dessen Tod ihr Urheberschutz erlosch. In der Folge erschienen etliche Neuübersetzungen oder Fortsetzungen seiner berühmtesten Romane, allen voran von "Krieg der Welten". Der wohl berühmteste Autor, der sich an ein solches Projekt wagte, war Stephen Baxter, dessen "Das Ende der Menschheit" zudem die "offizielle", also von Wells' Erben abgesegnete Fortsetzung darstellen soll (wobei sich durchaus die Frage stellt, warum auch sie dann erst nach Ablauf der siebzig Jahre erschienen ist. Aber wie dem auch sei). Zumindest hat Baxter schon Erfahrung auf diesem Gebiet vorzuweisen, denn mit "Zeitschiffe" hatte er bereits im Jahr 1995 einen Wells-Roman fortgesetzt (nämlich "Die Zeitmaschine"). Damals dann offensichtlich wirklich ganz offiziell autorisiert ...

 

 

Das Thema

David gegen Goliath

 

 

Der Einstieg

"Für diejenigen von uns, die ihn überlebt haben, war der Erste Krieg gegen die Marsianer Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts eine verheerende Katastrophe. Und doch ist dieser Konflikt jenen Wesen, die weitaus intelligenter sind als wir und sogar noch älter als die Marsianer, Wesen, die unsere Welt von den kalten, fernen Regionen des Weltalls aus betrachten, gewiss belanglos und unwürdig erschienen."

Oha! Da lauert offenbar etwas noch Größeres im Hintergrund.

 

 

Der Inhalt

Kurz und knapp: Die Marsianer kehren zurück! Darum geht's.

Man sollte das Original von H.G. Wells kennen, um diesen Roman richtig genießen zu können.

 

 

Form, Stil und Sprache

Viele Figuren aus "Krieg der Welten" tauchen in "Das Ende der Menschheit" wieder auf, so unter anderem auch die Ich-Erzählerin, die sich im ursprünglichen Roman noch mit einer Nebenrolle begnügen musste. In Sprache und Erzählweise hat sich Baxter an den etwas altmodischen Tonfall angepasst, was zwar anfangs erst etwas ungewohnt ist, insgesamt aber - Zeit und Hintergrund der Geschichte entsprechend - durchaus passend und authentisch wirkt.

 


Lob und Tadel

+++++ Ungewöhnliche Fortsetzung des Originals +++++

Das Spezielle an diesem Roman ist, dass er direkt an die Vorlage aus dem Jahr 1898 anknüpft ... was zugegebenermaßen zunächst noch nicht allzu ungewöhnlich klingt. In diesem Fall bedeutet das aber nicht einfach nur, dass die Ereignisse "normal" weitererzählt werden und dass auch Baxters Geschichte zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts spielt. Nein, hier bedeutet es vor allem, dass sie in einer Welt angesiedelt ist, die bei der Entstehung von "Krieg der Welten" noch eine andere war. Einer Welt also, die Wells und seine Zeitgenossen damals für möglich hielten und die unser heutiges Wissen völlig außer Acht lässt. Die Prämisse, dass die Invasoren einst vom Mars kamen, wird hier gar nicht erst mühsam umgedeutet sondern als gegeben hingenommen, ebenso wie die "Tatsache", dass auch Venus und Jupiter von intelligenten Lebewesen bevölkert sind.
Eine Art rückwirkende Alternativweltgeschichte also. Originell.

 

- - - - - Unnötig lang - - - - -

Während Wells auf knapp 200 Seiten eine dichte, spannende und ereignisreiche Geschichte erzählte, benötigt Baxters Fortsetzung den dreifachen Umfang ... und zwar ohne dabei wesentlich komplexer zu sein.

Gegen einen ruhigen Erzählstil ist ja nichts einzuwenden, aber hier wird man das Gefühl nicht los, dass der Autor sich einfach viel zu viel Zeit lässt. Einzelne Ereignisse werden wieder und wieder auf ähnliche Art geschildert und die ganze Erzählweise wirkt unnötig umständlich. So beginnt beispielsweise das Buch mehr oder weniger genauso wie einst sein Vorgänger, nämlich mit der Landung der Marsianer in England. Allerdings geht dabei schon mal locker das erste Viertel des Buches drauf, obwohl doch im Großen und Ganzen bereits bekannt ist, was passiert. Leider wird dieser zähe Stil fast durchgehend beibehalten.

 

+++++ Gelungene Hommage +++++

Ohne Zweifel hat sich Baxter sehr ernsthaft mit Wells' Werk auseinandergesetzt, denn es wird nahezu jeder angedeutete Handlungsfaden, jede kurz erwähnte Figur und jede nebensächlich scheinende Hintergrundinformation aus dem Vorgänger aufgenommen und geschickt eingearbeitet, wodurch "Das Ende der Menschheit" etliche schöne Anspielungen und Querverweise bereithält. Das ist schon sehr liebevoll gemacht.

 

- - - - - Distanz - - - - -

Die Geschichte wird über weite Strecken relativ emotions- und spannungsarm "heruntererzählt". Irgendwie bleibt man als Leser stets auf merkwürdiger Distanz zu den Figuren und zur Handlung.

Trotz der weiter oben kritisierten Längen des Romans wird gleichzeitig so manche relevante bzw. interessante Information vernachlässigt. Wie sieht der Alltag im besetzten England aus? Wie genau verhalten sich die Marsianer als Besatzungsmacht eigentlich? Um vollständig in die Geschichte eintauchen zu können, wären hier und dort etwas plastischere Beschreibungen hilfreich gewesen.

Und selbst im letzten Drittel, als es teilweise wirklich dramatisch und geradezu exzessiv zur Sache geht, will der Funke nicht so recht überspringen.

 

  

Das Fazit

Eine liebevolle, aber sehr langatmig geratene Hommage an H.G. Wells' Vorlage.


Stephen Baxter

Das Ende der Menschheit

Eine sf-Lit Rezension von 2018