Chuck Wendig

Wanderers

Die Schlafwandler

             &

Die weiße Maske

"Wanderers" 

 

2019

    

Übersetzung: Kerstin Fricke

Panini

476 + 503 Seiten



Chuck Wendig ist vielen vermutlich als "Star Wars" - Autor ein Begriff, denn für jene Reihe hat er bereits mehrere Romane verfasst. Besonders bekannt und beliebt ist dabei die "Nachspiel" - Trilogie. Doch auch abseits des Franchises veröffentlicht er SF-Bücher, so zum Beispiel diese auf zwei Bände aufgeteilte Geschichte über die "Wanderers".

 

Worum geht es? Einige Menschen werden von einem seltsamen Phänomen befallen: Sie werden völlig apathisch, sind nicht mehr ansprechbar und marschieren zielstrebig los. Wohin? Niemand weiß es. Zunächst ist nur eine junge Frau betroffen, doch ihr schließen sich mehr und mehr an, so dass eine stetig wachsende Herde aus solchen "Zombies" ihren Weg quer durch Amerika antritt. Sie sind Tag und Nacht unterwegs, benötigen weder Nahrung noch Pausen und ziehen unaufhaltsam weiter. Das Problem ist: sobald man versucht, sie aufzuhalten, zu stoppen, abzudrängen, einzusperren oder irgendwie von ihrem Weg abzubringen, kochen sie buchstäblich über und ... explodieren! Ja, genau das. 

 

So kommt es also, dass man sie gewähren lässt und ein immer größer werdender Konvoi aus solchen "Befallenen" sowie sie begleitenden Angehörigen und später auch Wissenschaftlern, Ärzten, Polizei und Presse mit unbekanntem Ziel wochenlang umherwandert. "Wanderers" eben.

 

Zu Beginn wird man unmittelbar und ohne weitschweifige Einführung in die Geschehnisse hineingeworfen (das wäre beispielsweise ein Stephen King sicher anders angegangen), doch nach diesem dadurch leicht holprig wirkenden Einstieg zieht einen die Geschichte dann schnell in ihren Bann. Natürlich fragt man sich, was dahintersteckt und was das Ziel der Wanderung ist. Sind die Betroffenen bemitleidenswerte Seuchenopfer, fremdgesteuerte Demonstranten oder vielleicht sogar gefährliche Waffen? Auch das Drumherum ist zunehmend spannend: Politik und Medien wissen nicht, wie sie mit diesem Phänomen umgehen sollen. In der Bevölkerung gibt es Mitgefühl und Unterstützung ebenso wie Ablehnung und blanken Hass. Wilde Verschwörungstheorien machen die Runde. Religiöse Fanatiker finden zunehmend Gehör. Selbstdarsteller wollen die Aufmerksamkeit für sich ausnutzen oder werden als "nützliche Idioten" eingespannt. Und all das findet vor dem Hintergrund bevorstehender Wahlen statt, wobei sich die amtierende Präsidentin und ihr Herausforderer zu profilieren versuchen - mit immer radikaler werdenden Positionen. Einer von beiden hätte bis vor ein paar Jahren noch überzeichnet gewirkt, aber mittlerweile wissen wir es besser.

So entwickelt sich aus einer zunächst skurril und recht simpel wirkenden Grundidee eine zunehmend komplexe Geschichte, die ein durchaus treffendes Bild unserer Zeit zeichnet.

 

 

Es handelt sich bei "Wanderers" zwar um einen Zweiteiler, aber genau genommen ist es ein einziger dicker Roman, der lediglich in zwei Bände gesplittet wurde. Das bedeutet: Es gibt nach dem ersten Buch keinerlei Abschluss, sondern es endet mittendrin.

Wenn man dann (was aufgrund der spannenden Geschichte sehr wahrscheinlich ist) den zweiten Band zur Hand nimmt, stellt man fest, dass sich in diesem die Tonalität etwas geändert hat. Einige Geheimnisse werden bald gelüftet, und ... nun ja ... das eine oder andere möglicherweise schon ein bisschen zu früh. Dadurch lebt die Story nun weniger vom Unbekannten, Mysteriösen und vielen offenen Fragen, sondern sie wird nun deutlich mehr "geradeaus" erzählt. Der Anteil an Action und Gewalt steigt deutlich an, Gut und Böse sind größtenteils klar definiert und jetzt geht es um Freund gegen Feind, ums bloße Überleben und überhaupt um Alles.


So gesehen ist zumindest nachvollziehbar - und zwar nicht nur aus verkaufs-strategischen Gründen, sondern auch inhaltlich -, warum die Geschichte in zwei getrennten Büchern präsentiert wird.

 

Insgesamt erhalten wir mit "Wanders 1+2" einen abwechslungsreichen 1000-Seiten-Wälzer mit vielen Höhen, einigen kleinen Tiefen, aktuellen Themen und spannenden Wendungen. Und zwei richtig coolen Titelbildern!

Lohnt sich.

 

 


Chuck Wendig

Wanderers

Eine sf-Lit - Kurzkritik von 2022