Esther S. Schmidt

Rho

 

2022

   

 

 

 

 

 

Plan 9

323 Seiten



Esther S. Schmidt hat schon eine gute Handvoll Romane sowie eine Reihe Kurzgeschichten veröffentlicht, überwiegend aus dem Fantasy-Genre. Doch mit "Rho" erschien im Jahr 2022 nun auch ein waschechter Science-Fiction-Roman.

 

Er spielt auf einem fernen, erdähnlichen Planeten, der vor rund einhundert Jahren besiedelt wurde. Die Besonderheit auf Deuteragäa: es ist ein rotationsgebundener Planet, so dass das Leben nur innerhalb eines schmalen Streifens, der Dämmerungszone, möglich ist. Das bedeutet zum Beispiel, dass es so etwas wie Sonnenauf- und Untergang oder wechselnde Jahreszeiten nicht gibt. Dafür aber jede Menge ewiges Eis auf der einen und sengende Hitze auf der anderen Seite. Und überhaupt ziemlich viel unzugängliche Wildnis. Aber trotz allem existiert - eben in dem nicht lebensfeindlichen Bereich - auch eine heimische Fauna, die beispielsweise große, insektenähnliche Lebewesen bereithält, deren Schwärme bisweilen die menschlichen Siedlungen überrennen und dabei jede Menge Tod und Zerstörung anrichten.

 

Im Zuge einer solchen Attacke verschlägt es die Journalistin Moira zusammen mit einem wortkargen Soldaten in die Wüste, wo sie zunächst einmal gemeinsam ums Überleben kämpfen müssen. Dabei findet sie nach und nach heraus, dass nicht nur ihr schweigsamer Begleiter, sondern auch dessen Arbeitgeber - ein zwielichtiger Großkonzern - und nicht zuletzt Deuteragäa selbst voller unerwarteter Geheimnisse, Gefahren und Ungerechtigkeiten stecken, gegen die zu kämpfen sich lohnt.

 

Der Roman erfindet das Genre vielleicht nicht neu, ist aber sehr souverän geschrieben, abwechslungsreich und spannend, so dass auch einzelne kleine Ungereimtheiten leicht verziehen werden. So mutet es beispielsweise etwas seltsam an, wie wenig die Menschen ein Jahrhundert nach der Besiedelung über ihre Heimatwelt wissen. Oder wie verhältnismäßig kurzzeitig ein Protagonist von seinem nur notdürftig geschienten gebrochenen Bein beeinträchtigt wird. Auch verfällt die Autorin der in Zukunftsromanen nicht unüblichen Verlockung, allzu viele Ausdrücke oder Referenzen aus - ausgerechnet - dem späten 20. und frühen 21. Jahrhundert zu verwenden.

 

Aber das sind Kleinigkeiten, die den guten Gesamteindruck nicht ernsthaft schmälern, da die positiven Aspekte eindeutig überwiegen: Die Geschichte entwickelt sich und wird nach und nach immer komplexer. Der Weltenbau ist insgesamt gut gelungen und überzeugt mit einigen schönen Ideen, wie zum Beispiel der Art, wie die an 24-Stunden-Zyklen gewöhnte Menschheit sich auf diesem rotationsgebundenen Planeten die "Tage" in drei nach Farben benannte 8-Stunden-Phasen eingeteilt hat. Die eigentliche Story wartet außerdem mit einigen schönen Überraschungen und Wendungen auf.

 

Aber nicht nur das. Hinter allem steht eine Thematik, die diesen Roman über eine bloße Abenteuererzählung hinaushebt (nicht, dass die etwas Schlechtes wären), auf die hier aber aus Spoilergründen nur andeutungsweise eingegangen werden soll: Nicht zuletzt geht es in "Rho" nämlich um das ewige menschliche Streben nach Reichtum und Macht; um die rücksichtslose Ausbeutung von Ressourcen und Leben aus purer Profitgier. Und zur Rechtfertigung solcher Ungerechtigkeiten wird, wie in Geschichte und Gegenwart immer wieder zu beobachten, ganz gezielt die Entmenschlichung - oder genauer: Verdinglichung - der Leidtragenden betrieben. In diesem Fall gleich auf mehreren Ebenen.

So punktet der Roman neben Action, Exotik und Spannung auch mit ernsten, nachdenklich stimmenden Untertönen.

 

 

Fazit: Ein überraschend vielseitiges Leseerlebnis. Gerne mehr davon.


Esther S. Schmidt

Rho

Eine sf-Lit - Kurzkritik von 2023