Theresa Hannig

Pantopia

 

2022

   

  

 

 

 

 

Fischer Tor

464 Seiten



Der dritte Science-Fiction-Roman von Theresa Hannig geht ungewohnte Wege: Hier ist die Künstliche Intelligenz nämlich mal keine finstere Bedrohung, die die Menschheit auszurotten droht, sondern ganz im Gegenteil die Hoffnung auf eine bessere, gerechtere, lebenswertere Zukunft.

Mit Hilfe einer solchen (mehr oder weniger zufällig entstandenen) KI suchen nämlich deren Entwickler nach Wegen, die weltweiten Probleme wie Armut, Klimakatastrophe, Ungerechtigkeit und Ausbeutung zu überwinden. Der Vorteil, den die Mitwirkung einer pragmatisch "denkenden" Maschine dabei bietet, liegt auf der Hand: Im Gegensatz zu menschlichen Entscheidungsträgern, egal welcher Regierungsform, ist sie weder auf eigenen Profit noch auf Macht aus und deshalb in der Lage, weitsichtige Entscheidungen zu treffen. Mit anderen Worten: über die nächste Legislaturperiode hinaus zu planen.

 

Kurzum: in diesem Roman geht es Lösungen! Das ist doch mal ein eher unüblicher Ansatz. Die Frage ist nun: Lässt sich daraus eine interessante Geschichte machen? Kurze Antwort: im Großen und Ganzen schon.

 

Doch die zwei negativen Punkte gleich vorweg:

Erstens: Der Roman beginnt mit dem Ende. Man weiß also ab der ersten Seite, wohin die Geschichte führt – ein Stilmittel, dessen Sinn irgendwie unklar ist. Auch wenn im letzten Viertel doch zeitweise so etwas wie Spannung aufkommt, verliert das Buch insgesamt dadurch ein wenig an Reiz, und zwar völlig unnötigerweise.

Zweitens: In einigen (zum Glück wenigen) Szenen stört ein erhobener Zeigefinger. Hier baut die Autorin unvermittelt Abschnitte ein, in denen sie ihren (zwar durchaus berechtigten) Ärger über gewisse ungerechte Zustände bzw. unangenehme Verhaltensweisen einiger Menschen ausdrückt. Diese gelegentlichen Abschweifungen gehören aber überhaupt nicht in die Geschichte und wirken daher wie deplatzierte Zwischenspiele.

 

Doch erfreulicherweise überwiegen die positiven Aspekte. Es wird aufgezeigt, dass die Welt nicht so (selbst)zerstörerisch sein muss, wie sie ist, und eine optimistische Idee entwickelt, wie sie besser sein könnte. Das ist aber nicht bloße naive Träumerei, denn die Probleme und Widerstände, mit denen man bei solch gravierenden Umwälzungen zwangsläufig zu tun bekommt, werden durchaus aufgezeigt. (Wenngleich zu befürchten ist, dass sie in der Realität noch wesentlich drastischer ausfallen würden.)

Aber hier wird ein guter, positiver Weltenentwurf konsequent durchdacht und in einen sehr gut geschriebenen, unterhaltsamen und lehrreichen (wenn auch – siehe oben – nicht allzu spannungsgetriebenen) Roman umgesetzt. In dieser Hinsicht sind gewisse Parallelen zu Kim Stanley Robinsons „Das Ministerium für die Zukunft“ unverkennbar, wobei „Pantopia" weniger detailliert, dafür aber auch weniger trocken ausgefallen ist. Denn neben aller Theorie kommen auch Handlung und Charakterentwicklungen nicht zu kurz. Die beiden Hauptfiguren sind glaubwürdig dargestellt: keine selbstlosen Helden, sondern Menschen mit "normalen" Problemen, Unsicherheiten, Fehlern und Selbstzweifeln.


Fazit: Die immer wieder gestellte Frage, ob aus einer positiven Utopie denn wohl ein fesselnder Roman entstehen kann, darf guten Gewissens mit "Ja" beantwortet werden. Wenn das Ende nicht vorweggenommen worden wäre, hätte er noch spannender sein können, aber so oder so: das Interessante daran sind ja in erster Linie die Ideen, die dahinter stecken. Und da hat "Pantopia" einiges zu bieten.

Absolut lesenswert.


Theresa Hannig

Pantopia

Eine sf-Lit - Kurzkritik von 2023