Cory Doctorow

Little Brother

"Little Brother"

 

2008

 

  

 

 

 

 

 

 

 

 

Übersetzung: Uwe-Michael Gutzschhahn

Rowohlt

490 Seiten

3. Auflage 2014



Der Hintergrund

Neben seiner Tätigkeit als Autor hat sich Cory Doctorow vor allem als Journalist und Blogger einen Namen gemacht, der sich für Themen wie Datenschutz, Meinungsfreiheit oder rechtliche Fragen im Internetzeitalter engagiert. Er ist bzw. war in verschiedenen Organisationen tätig (z.B. "Electronic Frontier Foundation" oder "Open Rights Group"), die in diesen Bereichen aktiv sind.

 

 

Das Thema

Überwachungsstaat

 

 

Der Einstieg

"Ich gehe in die Oberstufe der Cesar Chavez High im sonnigen Mission-Viertel von San Francisco und das macht mich zu einem der meistüberwachten Menschen der Welt."

Da weiß man doch sofort, in welche Richtung die Reise geht.

 

 

Der Inhalt

Nach einem Terroranschlag in San Francisco, den sie zufällig aus nächster Nähe miterlebt haben, werden der 17jährige Marcus und drei seiner Freunde vom US-Heimatschutz aufgegriffen, verschleppt und verhört. Dass er sich dabei zunächst wenig kooperativ zeigt, macht ihn in den Augen der Soldaten besonders verdächtig, so dass er tagelang gefangen gehalten und zunehmend brutaler werdenden Befragungsmethoden ausgesetzt wird.

Endlich wieder auf freiem Fuß, muss er miterleben, wie die Stadt mehr und mehr unter die Kontrolle von Sicherheitsdiensten gerät. Im Namen der Terrorbekämpfung werden die Bürger nun systematisch überwacht und ausspioniert; jede Art von ungewöhnlichem oder auffälligem Verhalten wird gnadenlos verfolgt.

Marcus beschließt, sich an seinen Peinigern zu rächen und gegen die Unterdrückung zu wehren. Doch was kann ein einzelner Schüler schon gegen den Staat ausrichten?

 

 

Form, Stil und Sprache

Die Hauptfiguren in diesem Roman sind Jugendliche, und das spiegelt sich auch in der Sprache wieder. So wird der Leser beispielsweise gerne mal mit "Du" angesprochen oder ein Lehrer als "orientierungsloser Erziehungsbeamter, der die Kurve nicht gekriegt hat und das Internet immer noch als 'Datenautobahn' bezeichnet" (S. 7) vorgestellt.
Kurzum: das Buch richtet sich an junge Leute, und deren Tonfall wird dabei auch durchaus gut getroffen. Aber nichtsdestotrotz handelt es sich hierbei keineswegs um ein reines Jugendbuch.
Sowohl die Thematik als auch der ebenso flüssige wie packende Schreibstil machen es für Menschen jenseits der fünfundzwanzig mindestens genauso gut lesbar.

 


Lob und Kritik

+++++ Spannend +++++

Spätestens ab der Sequenz, in der Marcus und seine Freunde in die Gewalt der Homeland Security geraten, ist man vom Geschehen gepackt. Von diesem Moment an schwebt eine permanente Bedrohung über den Protagonisten, die auch den Leser allmählich paranoid werden lässt. Es kommt Wut über soviel Ungerechtigkeit auf. Und das Wissen, was im Falle einer erneuten Verhaftung drohen könnte, lässt uns mit ihnen zittern und leiden. Extrem spannend!

 

- - - - - Es wird viel doziert +++++

Der Autor ist mit den Themenbereichen "Datenschutz" und "staatliche Überwachung" sehr gut vertraut und es ist ihm ein echtes Anliegen, seine Leser dafür zu sensibilisieren. Entsprechend detailliert erläutert er gewisse Zusammenhänge, erklärt bestimmte Abläufe und Entwicklungen oder beschreibt technische Einzelheiten. Das macht er zwar in einem auch für Laien gut verständlichen Stil, es führt aber dazu, dass einige Passagen des Romans arg belehrend wirken.

 

- - - - - Sehr amerikanische Perspektive - - - - -

Amerikanischer Hurra-Patriotismus wird hier zum Glück nicht geboten; das wäre bei einer solchen Thematik auch äußerst unpassend. Aber selbst bei diesem doch insgesamt sehr kritischen Buch fallen immer wieder Formulierungen auf, in denen sinngemäß vom "Glauben an die amerikanische Verfassung", den "amerikanischen Werten" oder "Dingen, die dieses Land groß gemacht haben" die Rede ist. Das muss wohl einfach so sein (obwohl der Autor gebürtiger Kanadier ist) und hat im Rahmen dieser Geschichte ja durchaus eine gewisse Berechtigung - auf uns Europäer wirkt es aber dennoch etwas befremdlich.

 

+++++ "Jugendkultur" - - - - -

Interessen, Probleme und Lebensweise von jungen Menschen zu Beginn des 21. Jahrhunderts werden hier sehr anschaulich dargestellt. Wie bereits angemerkt, wird der Roman unter der Rubrik "Jugendbuch" geführt, ist aber auch für Erwachsene jeden Alters lesenswert. Wer allerdings so überhaupt keinen Bezug zu bzw. Verständnis für Themen wie Hacken, Flashmob oder LARP hat, dürfte einige Passagen ziemlich merkwürdig finden.

 

+++++ Hoch aktuelles und brisantes Thema +++++

Das große Plus dieses Romans ist die Aktualität seines Themas. In einer Zeit, in der Abhörskandale, Datensammelwut oder Handyortung die Nachrichten bestimmen, hat sich wohl jeder schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie viel Sicherheit uns dadurch wirklich geboten wird. Allen Verfechtern der "Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten"-These dürfte dieser Roman einige neue Denkanstöße bieten. Und alle anderen haben es sowieso schon immer gewusst.
 

  

Das Fazit

Lesen Sie dieses Buch! Und lesen sie es JETZT, denn in zwanzig Jahren wird es überholt sein. Auf die eine oder andere Weise...


Cory Doctorow

Little Brother

Eine sf-Lit Rezension von 2015