Olaf Stapledon

Die letzten und die ersten Menschen

"Last and First Men" 

 

1930

   

  

 

 

Übersetzung: Kurt Spangenberg

Piper

464 Seiten



 

In diesem 1930 erschienenen Buch des Briten Olaf Stapledon wird die Geschichte der Menschheit von der (damaligen) Gegenwart bis in die ferne Zukunft beschrieben. Und zwar in die SEHR ferne Zukunft, denn wir reden hier von vielen Millionen, letztlich sogar Milliarden Jahren.

Das Ganze ist dann auch mehr oder weniger wie ein historisches Sachbuch aufgebaut, und das ist schon mal direkt das erste Problem. Es gibt hier also keine Handlungsstränge, keinen Spannungsbogen, keine Haupt- oder Nebenfiguren und somit insgesamt keinen "Roman" im klassischen Sinn. Dadurch liest sich das alles extrem trocken und bisweilen mühsam.

All jene, die gerne auch mal in Geschichtsbüchern lesen, sollten mit dem Aufbau noch ganz gut zurechtkommen. Aber nichtsdestotrotz sind manche Passagen leider doch ziemlich zäh, um nicht zu sagen: langweilig; und wer prinzipiell keinen Spaß an historischen Sachtexten hat, sollte lieber die Finger davon lassen.

 

In den ersten Kapiteln geht es noch um die nahe Zukunft, also das 20. und 21. Jahrhundert. Aus heutiger Sicht liegt vieles davon ja nun schon in der Vergangenheit und es kam logischerweise alles ganz anders ... so konnte der Autor damals beispielsweise vom 2. Weltkrieg, dem sog. Dritten Reich oder dem Kalten Krieg noch nichts wissen. Mehrere unmittelbar bevorstehende europäische und weltweite Kriege hat er aber trotzdem schon kommen sehen (wobei interessanterweise ausgerechnet Deutschland zunächst die gemäßigte Partei darstellte).

Aber wie der Autor selbst im Vorwort (und Klaus N. Frick im Nachwort) betont, konnte und sollte es nie das Ziel dieses Buchs sein, möglichst präzise und realistische Voraussagen zu treffen. Es sind einfach Gedankenexperimente, was rein theoretisch denkbar wäre - und das führt bewusst auch in Bereiche, die heutzutage noch unvorstellbar erscheinen.

 

So blickt das Buch dann auch mit fortschreitender Dauer immer weiter und weiter in die Zukunft, zunächst in Jahrhunderte-, später dann Jahrtausende und Jahrmillionen umfassenden Schritten.

Einerseits lesen sich die späteren Epochen spannender, weil sie natürlich immer abgefahrener und fantastischer werden. Andererseits mag der eine oder die andere Leser/in doch des Öfteren Probleme haben mit Sätzen wie: "In den nächsten 30 Millionen Jahren entwickelte sich die Zivilisation nicht nennenswert weiter." 

Solche Sprünge sind für Normalsterbliche nicht nur intellektuell schwer zu fassen, sondern irgendwie auch ziemlich unrealistisch. Denn bitteschön: wie lange gibt es den Homo Sapiens jetzt? 300.000 Jahre? Völlig unvorstellbar, wie die Entwicklung in der 100-fachen Zeit aussehen könnte (aber okay, dafür lesen wir ja ein fiktives Buch), vor allem aber erscheint es doch NOCH unvorstellbarer, dass sich in einer solchen Zeitspanne nicht viel ereignen sollte. Und gemessen am gesamten Buch ist das nur ein mittelgroßer Zeitsprung ...

 

Aber trotz aller Mühen und Zweifel beim Lesen wird man fürs Dranbleiben letztlich doch immer wieder belohnt, denn Stapledon präsentiert hier eine Fülle an originellen und fantasievollen Ideen, die einfach Spaß machen und staunen lassen. Alleine schon die evolutionären Veränderungen, die die Menschheit durchlebt (und die sie z.T. auch aktiv selbst herbeiführt) sind so interessant, dass sich das Lesen lohnt.

 

So eine richtige Lektüre-Empfehlung ist das hier aber dennoch nicht, denn es wird zweifellos viele Leute geben, die sich bei der Lektüre langweilen würden. Was der Verfasser dieser Zeilen teilweise durchaus auch getan hat ...

 


Olaf Stapledon

Die letzten und die ersten Menschen

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