Bina Shah

Die Geschichte der schweigenden Frauen

"Before She Sleeps" 

 

2018

   

 

 

Übersetzung: Annette Charpentier  

Golkonda

332 Seiten



Die Autorin und Frauenrechtlerin Bina Shah studierte und arbeitete lange in den USA, lebt aber mittlerweile wieder in ihrem Geburtsland Pakistan. Diese unterschiedlichen Erfahrungen und Hintergründe fließen auch in ihren Roman ein, der in einer nicht näher benannten Gegend irgendwo im Südwesten Asiens angesiedelt ist.

 

Nach einem verheerenden Atomkrieg sowie einer tödlichen Seuche, von der das männliche Geschlecht seltsamerweise verschont blieb, herrscht in der vom Rest der Welt abgeschotteten Stadt 'Green City' akuter Frauenmangel. Um diesem Ungleichgewicht Rechnung zu tragen und dem Stadtstaat ausreichend Nachwuchs zu sichern, wurde verfügt, dass jede Frau verpflichtend mit mehreren (meist drei oder vier) Männern zwangsverheiratet wird.

Die Geschichte folgt nun einer kleinen Gruppe von Frauen, die auf der Flucht vor dem System in einem abgeschiedenen Versteck untergekommen sind und ihren Lebensunterhalt mit gewissen "Dienstleistungen" (nicht direkt sexueller Natur) gegenüber reichen Männern bestreiten. Natürlich ist das streng verboten, so dass ihnen bei Entdeckung jederzeit schwere Strafen durch das totalitäre System drohen.

 

Die Prämisse von einer Gesellschaft, in der Frauen jegliches Selbstbestimmungsrecht verloren haben und als reine "Gebährmaschinen" missbraucht werden, erinnert natürlich stark an Margaret Atwoods Klassiker "Der Report der Magd". Diesem zugegebenermaßen etwas unfairen Vergleich hält Bina Shahs Roman aber bei weitem nicht Stand. Die dystopische Welt ist hier nicht ansatzweise so gut ausgearbeitet; sie wirkt teilweise weniger durchdacht und glaubwürdig und bleibt überhaupt insgesamt sehr viel oberflächlicher. Von der Welt außerhalb des Handlungsorts 'Green City' erfahren wir praktisch gar nichts, von den Mechanismen innerhalb bleibt ebenfalls vieles offen. Die Dinge sind hier einfach wie sie sind, ohne dass allzu detailliert auf irgendwelche Hintergründe oder Zusammenhänge eingegangen wird. Auch die Figuren - gute wie böse - bleiben relativ blass, manche ihrer Handlungen sind schwer nachzuvollziehen (oder schlicht dumm). Außerdem werden einige arg platte Klischees verwurstet, wie zum Beispiel verkitschte "Liebe auf den ersten Blick"-Szenen oder die "Tatsache", dass Männer ja grundsätzlich leicht zu manipulieren sind, sobald man nur an ihr Ego oder ihre Triebe appelliert.

 

Nun ist der Roman keineswegs so schlecht, wie es bis hierher vielleicht klingen mag. Er bietet zweifellos einige gute Ansätze und Ideen, eine ungewöhnliche Sichtweise bzw. Umgebung und ist zudem in einem sehr angenehmen Stil geschrieben (und übersetzt). Letztlich bleibt er aber - gerade angesichts des ernsten Themas - insgesamt zu seicht und oberflächlich.


Bina Shah

Die Geschichte der schweigenden Frauen

Eine sf-Lit - Kurzkritik von 2020