Marie Golien

Cainstorm Island. Der Gejagte

 

2019

   

 

 

 

 

dtv

352 Seiten



Wie kann ein Jugendlicher in einer Welt, in der Arme und Reiche fein säuberlich voneinander getrennt in verschiedenen Bezirken leben, für sich und seine Familie ein bisschen dringend benötigtes Geld hinzuverdienen? Zum Beispiel, indem er sich eine Kamera implantieren lässt und per Livestream ein sensationslüsternes Online-Publikum an seinem mehr oder weniger aufregenden Überlebenskampf teilhaben lässt.

Dumm nur, dass er eines Tages vor laufender Kamera in Notwehr den Anführer einer berüchtigten Straßengang tötet und von dieser fortan gnadenlos gejagt wird. Dass dabei sämtliche seiner Flucht- oder Untertauchversuche regelmäßig live ins Netz übertragen werden, macht es auch nicht gerade leichter ...

 

Auf dem Cover von Marie Goliens Debütroman steht "Thriller", und das stimmt auch: Action, Tempo, Verfolgungsjagden und Spannung stehen von der ersten Seite an im Mittelpunkt. Zeitweise wird es zugegebenermaßen arg übertrieben und unrealistisch - aber das darf man wohlwollend durchgehen lassen. So wie man bei einem gelungenen Actionfilm ein Auge zudrückt, wenn zugunsten der Spannung hier und da etwas zu dick aufgetragen wird. Ein echter "Thriller" halt.

Tatsache ist aber: Es geht rasant zur Sache, es ist spannend, es gibt dramatische Entwicklungen und überraschende Wendungen ... mit anderen Worten: es reißt mit und macht Spaß!

 

Puh. Kurz durchatmen. So viel zur spektakulären Handlung und zum Erzähltempo.

 

Steckt darüber hinaus noch mehr dahinter? Ja, durchaus. Denn das Buch nimmt in vielerlei Hinsicht Bezug auf aktuelle Entwicklungen und denkt diese noch ein bisschen weiter: die immer reicher werdenden Reichen, die sich gegen den Rest der Welt abschotten beispielsweise. Und natürlich Themen wie Reality TV, Social Media und die durch immer größere Sensationsgier befeuerte Höher-Schneller-Weiter-Mentalität.

So ein bisschen lässt sich die Geschichte als eine Mischung aus "Die Tribute von Panem" und "Running Man" zusammenfassen.

Im letzten Drittel baut der Roman dann aber leider ab. Irgendwie wird das alles gegen Ende doch ein bisschen zu viel des Guten. Die Technik wird immer unlogischer (bis hin zu leicht übernatürlich anmutenden Ausprägungen), unsere Helden werden immer cooler und verhalten sich zugleich jetzt oftmals so dermaßen naiv, irrational, leichtsinnig und idiotisch, dass es stellenweise wirklich nervt.

Das Ende kommt dann, wenn auch nicht gerade mittendrin, so aber doch ziemlich abrupt. Zwar ist einer der Haupt-Handlungsstränge einigermaßen abgeschlossen, aber dennoch endet das Buch mehr oder weniger mitten in einer Szene. Es ist also zweifellos noch eine Fortsetzung geplant. Das ist zunächst einmal keine schlechte Nachricht ... ein etwas eindeutigerer Abschluss hätte es aber trotzdem gerne sein dürfen. Schade.

 

Fazit: Ein Roman, der größtenteils richtig viel Spaß macht, dem aber am Ende ein wenig die Luft ausgeht.


Marie Golien

Cainstorm Island. Der Gejagte

Eine sf-Lit - Kurzkritik von 2020