Wolfgang Jeschke

Osiris Land

Novelle 

 

1982

   

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Heyne

108 Seiten

TB - Ausgabe 1997



 

Der Hintergrund

Wolfgang Jeschke hat sich in Deutschland als langjähriger Förderer und vor allem Herausgeber von Science Fiction einen Namen gemacht. Aber hin und wieder veröffentlicht er auch selbst einen Roman, eine Kurzgeschichte oder - wie in diesem Fall - eine Novelle. Und diese sind dann stets überaus lesenswert.

 

 

Das Thema

Geheimnisvolle Vergangenheit trifft auf düstere Gegenwart.

 

 

Der Einstieg

"Er kam den Schari herab, von Mittag her, aus dem Lande der Lagone und Bagirmi, und führte drei Pferde mit sich, von denen er zwei als Packtiere benutzte. Das dritte, eine kleine braune Stute mit weißen Blessen und samtdunklen Augen, ein schönes Tier, ritt er."

Was für ein klassischer Beginn: Ein Fremder reitet in die Stadt.

 

 

Der Inhalt

Eine Endzeit-Geschichte: ein Krieg mit atomaren und biologischen Waffen hat große Teile der Menschheit ausgelöscht und die Überlebenden auf Mittelalterniveau zurück katapultiert. Europa ist gänzlich unbewohnbar, nur wenige Menschen konnten sich von dort nach Afrika retten, wo sie jedoch als Weiße (und Mitauslöser der Katastrophe) schweren Anfeindungen ausgesetzt sind.

Ein Forscher macht sich auf einen langen Marsch in Richtung Ägypten, wo angeblich jenseits der Grenze der bewohnbaren Welt sonderbare Ereignisse beobachtet worden sind, die auf Raumfahrtaktivitäten hindeuten. Gibt es doch noch technisch hoch entwickelte Gegenden? Oder steckt etwas ganz anderes dahinter?

 

 

Form, Stil und Sprache

Die Geschichte zeichnet sich durch einen erzählerischen Kniff aus: die Ereignisse werden aus zwei verschiedenen Perspektiven geschildert. So erfahren wir aus den Tagebucheinträgen des Forschers viele wissenschaftliche Fakten und Hintergründe und erhalten alle wichtigen Informationen zum aktuellen Zustand der Welt (und wie sie wurde, was sie ist). Die subjektive, persönlichere und naivere Sicht des Ich-Erzählers, seinem jugendlichen Reisebegleiter, lässt uns die Geschehnisse dagegen hautnah und emotional miterleben.

 


Lob und Kritik

+++++ Gelungenes Szenario +++++

Mit wenigen Sätzen und knappen Schilderungen wird hier ein sehr stimmiges und nachvollziehbares postapokalyptisches Szenario entworfen. Es wird gerade so viel an Information geliefert, wie für das Verständnis der Geschichte erforderlich ist. Doch das reicht völlig aus, um sich ein Bild machen und in die beschriebene Welt eintauchen zu können.

 

 - - - - - Teilweise bereits von der Wirklichkeit überholt +++++

In naher Zukunft angesiedelte Geschichten haben in der Regel das Problem, dass sie nach einigen Jahren von der Realität eingeholt werden. Diese Erzählung stammt aus den frühen 1980ern und erwähnt beispielsweise einige real existierende Personen. Heute wissen wir also bereits, dass sie nicht so gehandelt haben, wie es hier dargestellt ist.

Aber solche Effekte müssen ja nicht unbedingt störend wirken, sondern können auch ganz charmant sein.

 

+++++ Überraschende Wendung +++++

Sofern man vorher nichts über dieses Buch weiß (es empfiehlt sich mal wieder, auf keinen Fall den Klappentext zu lesen), lässt sich nicht vorhersehen, in welche Richtung die Geschichte sich entwickelt. Doch wenn es zu unerwarteten Wendungen kommt, dann passiert das nicht mit einem spektakulären Knalleffekt, sondern ganz langsam und behutsam. Einfach gekonnt erzählt.

 

 

Das Fazit

Eine kleine, aber feine Geschichte, in der auf originelle Weise gleich mehrere klassische Themen der Science Fiction bedient werden. Und das auf gerade mal rund einhundert Seiten.


Wolfgang Jeschke

Osiris Land

Eine sf-Lit Rezension von 2015