Andreas Eschbach

NSA - Nationales Sicherheits-Amt

 

2018

     

 

 

 

 

 

 

   

 

 

Bastei Lübbe

796 Seiten

Paperback 2020



 

Der Hintergrund

Andreas Eschbach ist ohne Frage einer der bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Science-Fiction-Autoren. Gleich mit seinem Debütroman "Die Haarteppichknüpfer" schuf er einen modernen Klassiker, mit "Das Jesus-Video" gelang ihm der endgültige Durchbruch. Seitdem versorgt er seine Leserschaft regelmäßig mit originellen Ideen und spannenden Geschichten - mittlerweile überwiegend in Thrillern mit phantastischen Elementen und / oder Jugendbüchern.

Sein Alternativweltroman "NSA - Nationales Sicherheits-Amt" gewann 2019 den Kurd-Laßwitz-Preis.

 

 

Das Thema

Datensammlungen in falschen Händen

 

 

Der Einstieg

"Das schwarze Telephon klingelte zum achten Mal an diesem Morgen."

... und der Tag hält - wie so viele Tage jener Zeit - Schreckliches bereit.

 

 

Der Inhalt

Die Geschichte spielt während der Nazizeit, jedoch in einer Parallelwelt, in der bereits im späten 19. Jahrhundert Erfindungen wie Computer, Internet und Mobiltelefone gemacht wurden. Dementsprechend stehen der Nazi-Regierung noch einmal ganz andere, schier unbegrenzte Möglichkeiten zur Verfügung, um sowohl die 'äußeren Feinde' als auch ihre eigenen Bürger auszuspionieren und zu überwachen.

 

 

Form, Stil und Sprache

Eschbachs Stil liest sich wie immer flüssig und angenehm, ohne dabei die ganz großen Feinheiten oder Raffinessen aufzuweisen. Besonderheiten des vorliegenden Romans sind, dass einerseits eine eher altmodische Sprache verwendet wird - zurecht, denn schließlich spielt die Handlung ja in den 1940er Jahren - und außerdem viele Begriffe aus der Technik- oder Computerwelt "eingedeutscht" wurden. Das ist natürlich ebenfalls sinnvoll und passend, denn dass in Nazideutschland englische Ausdrücke wie "Internet", "E-Mail" oder "Cloud" verwendet worden wären, darf sicher ausgeschlossen werden.

 


Lob und Tadel

+++++ Spektakuläre, gelungene Grundidee +++++

Das ganze Setting um ein mit heutiger Technik ausgestattetes "Drittes Reich" dient selbstverständlich dazu, auf die aktuellen Gefahren der totalen Vernetzung und Überwachung sowie der erzwungenen oder sorglosen Preisgabe der eigenen Daten hinzuweisen. Und das klappt ganz hervorragend und regt dringend dazu an, sich Gedanken über unsere derzeitige Welt und über das eigene Verhalten zu machen.

Wie katastrophal kann es werden, wenn all diese Daten und Überwachungstechniken in die falschen Hände geraten? Also eben nicht "nur" an Konzerne übermittelt werden, welche uns mit nerviger Werbung zumüllen (schlimm genug), sondern an Regierungen, die wirklich richtig Böses im Schilde führen. Hier wurde nun zur extremstmöglichen Verdeutlichung die schlimmste vorstellbare Regierung gewählt.

Was für eine packende Grundidee für einen Roman!

 

- - - - - Langatmige Handlung - - - - -

Die Handlung hingegen kann mit der spannenden Prämisse leider nicht mithalten, sie plätschert so vor sich hin und ist streckenweise ziemlich uninteressant. Überwiegend besteht sie aus zwei Strängen, die allerdings beide eine deutliche Straffung hätten vertragen können. So fühlen sich achthundert Seiten ziemlich lang an.

Insgesamt werden viele Aspekte der Story einfach zu flach und plakativ abgehandelt. Siehe auch:

 

- - - - - Klischeebeladene Figuren - - - - -

So schauen wir beispielsweise dem einen Protagonisten ausgiebig dabei zu, wie er seine Geheimdienst-Informationen zu Erpressungen und perversen Machtspielchen missbraucht. Auch hier ist die Botschaft klar, aber anstatt sich auf das übliche 'Verklemmtes-Muttersöhnchen-lebt-seine-kranken-Sexphantasien-aus' - Stereotyp zu beschränken, hätte sie gerne etwas origineller verpackt werden können. Die Geschichte der zweiten Protagonistin dreht sich überwiegend darum, wie sie ihre große Liebe kennenlernt und dabei von ständigen Selbstzweifeln geplagt wird. Beide Hauptfiguren - sowie z.B. auch ein als bösartig dargestellter Nebencharakter, der von Anfang an durch körperliche Defizite und außergewöhnliche Hässlichkeit auffällt - sind also leider ziemlich tiefe Griffe in die Klischeekiste.

 

- - - - - Problematischer Umgang mit der Realität - - - - -

Der Bezug zu bzw. das Auftreten von realen Personen wirkt in vielen Fällen problematisch und misslungen. Möchten wir wirklich erfundene Dialoge mit Heinrich Himmler lesen? Muss es unbedingt Anne Frank persönlich sein, deren (alternatives) Schicksal im ersten Kapitel behandelt wird? Das dünne Eis, auf dem man sich mit einer solchen Thematik zwangsläufig bewegt, hat hier nicht immer gehalten.

 

+++++ Außergewöhnliches Ende +++++

Der Schluss hat es dann noch einmal in sich: ohne zu viel verraten zu wollen darf man wohl sagen, dass selten ein Buch derart konsequent, beklemmend und somit letztlich sehr gelungen zu Ende geführt wurde. Hut ab!

  

 

Das Fazit

Ein Roman mit Licht und Schatten, der einen äußerst zwiespältigen Eindruck hinterlässt.

 


Andreas Eschbach

NSA - Nationales Sicherheits-Amt

Eine sf-Lit Rezension von 2019