Robert Corvus

Feuer der Leere

 

2017

 

    

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

Piper

495 Seiten

Broschierte Ausgabe 2017



 

Der Hintergrund

Robert Corvus, der in der Vergangenheit auch schon unter dem Namen Bernard Craw veröffentlicht hat, ist in erster Linie für Fantasyromane bekannt, hat aber nicht zuletzt als "Perry Rhodan"-Autor bereits reichlich SF-Erfahrung gesammelt. In manchen Werken können die Genregrenzen auch schon mal verschwimmen: so weist beispielsweise sein Roman "Grauwacht" sowohl typische Fantasy- als auch Science Fiction-Merkmale auf. Bei "Feuer der Leere" handelt es sich eindeutig um SF - aber vereinzelte kleine Anleihen an Corvus' Stamm-Genre finden sich auch hier.

 

 

Das Thema

Menschsein

 

 

Der Einstieg

"Wer kämpfte, war immer allein. Der Helm registrierte den Schweiß auf Rilas Stirn und trocknete ihn mit einem warmen Luftstrom, bevor er in ihre Augen laufen konnte."

Es beginnt mitten in einer - buchstäblich - schweißtreibenden Actionsequenz.

 

 

Der Inhalt

Die Erde wurde schon vor langer Zeit zerstört und die verbliebene Menschheit (ca. eine Million) zieht in einem Schwarm von dreißig Riesenraumschiffen durchs All. Sie befindet sich dabei im ständigen Krieg mit der feindlichen Rasse der Giats, die jene Schiffe zu zerstören und damit die Menschheit endgültig auszulöschen drohen. Zu Beginn des Romans gelingt es den Menschen, dem Feind einen schweren militärischen Schlag zu versetzen. Fortan befindet sich der Schwarm jedoch auf der Flucht vor den auf Rache sinnenden Gegnern - und macht dabei einige spannende Entdeckungen.

 

 

Form, Stil und Sprache

Robert Corvus ist ein Profi, der schon viele Bücher geschrieben hat und auf eine Menge Erfahrung als Autor zurückgreifen kann; und das merkt man dem Roman auch an. Hier ist jemand am Werk, der weiß, wie man eine Geschichte aufbaut und der es versteht, die Neugier der Leser aufrechtzuerhalten. Manchmal allerdings wirkt seine Erzählweise ein wenig umständlich - da könnte er hier und da ruhig ein paar Details aussparen und etwas schneller auf den Punkt kommen. Aber alles in allem liest sich das Buch recht flüssig.

Der Leser folgt überwiegend drei Hauptfiguren, die sich zwar untereinander nahe stehen, aber hinsichtlich ihrer Erfahrungen und Sichtweisen ganz unterschiedliche Charaktere sind. Das erweist sich als gut gewähltes Stilmittel, denn auf diese Weise werden uns verschiedene Perspektiven und Standpunkte nahegebracht.

 


Lob und Kritik

+++++ Genialer Weltenbau +++++

Robert Corvus hat für seine Geschichte eine ganz fantastische Kulisse erschaffen: Eine heimatlose Menschheit, die seit vielen Generationen in der Schwerelosigkeit ihrer Raumschiffe lebt. Ein mächtiger Feind, der ihr ständig auf den Fersen ist. Eine Vielzahl von verschiedenen Schiffen, auf denen die unterschiedlichsten Lebensweisen gepflegt werden und von denen jedes einzelne wie ein eigener kleiner Staat funktioniert; Konflikte, Vorurteile und gegenseitiges Misstrauen inklusive. Die einzelnen Gruppen werden dabei in unterschiedlichem Maße von technischen Entwicklungen, neu entstandenen Religionen oder strengen militärischen Hierarchien beeinflusst bzw. vereinnahmt. Und all das spielt sich während einer immerwährenden Reise durch ein schier endloses Universum ab, welches seinerseits auch noch so manches Wunder zu bieten hat.

 

- - - - - Offene Fragen +++++

Wo kommen die Giats her? Warum führt die Menschheit Krieg gegen sie? Wann und wie hat es angefangen? All diese Fragen bleiben unbeantwortet. Wer es also gerne ganz genau wissen möchte, wird die entsprechenden Hintergrundinformationen vermissen.

Das lässt den Verdacht aufkommen, dass wir vielleicht in einem möglichen zweiten Teil Näheres darüber erfahren werden? In der Tat ist eine Fortsetzung tatsächlich geplant, aber keine Sorge: Die Geschichte war nicht von vorneherein als Mehrteiler angelegt, daher funktioniert dieser Roman voll und ganz als in sich abgeschlossener Einzelband.

 

+++++ Liebevolle Details +++++

Die Menschen verbringen ihr Leben in Raumschiffen und infolgedessen in ständiger Schwerelosigkeit. Dieser eigentlich logische Zusammenhang und seine Auswirkungen auf den Alltag werden nicht nur realistisch dargestellt (wodurch sich die Beschreibung hier von den allermeisten der sonst üblichen pseudowissenschaftlichen Erklärungen zu "Künstlicher Gravitation" unterscheidet), sondern auch überaus liebevoll geschildert. So erfahren wir etwas über die Art der Fortbewegung innerhalb der Schiffe, nötige Hilfsmittel an Bord sowie alltägliche Probleme, die so ein Leben ohne Schwerkraft mit sich bringt.

Die seltenen Fälle, in denen Leute tatsächlich mal einen Planeten betreten, führen dann umgekehrt zu ungewohnten Wahrnehmungen und Erfahrungen: Wind. Herabfallende Gegenstände. Flüssigkeiten, die in offene Gefäße gefüllt werden können. Das merkwürdige Verhalten von Frisuren ...

Solche Kleinigkeiten werden ganz nebenbei eingestreut und tragen so zu einer gelungenen Atmosphäre bei. Allerdings gibt es auch Momente, in denen die Detailverliebtheit des Autors den Lesefluss eher stören kann:

 

- - - - - (Zu) viele recherchierte Fakten werden untergebracht +++++

Man hat bisweilen das Gefühl, dass er sehr umfassend und gewissenhaft recherchiert hat und nun auch möglichst viel von diesem Wissen unterbringen möchte. Das mag zwar der wissenschaftlichen Korrektheit dienen ... aber sooo genau müssen wir manche Einzelheiten gar nicht wissen. Zumal wenn einige der technischen und physikalischen Erklärungen nicht entscheidend zur Handlung oder Atmosphäre beitragen.

 

+++++ Gut gezeichnete Protagonisten agieren dennoch manchmal fragwürdig - - - - -

Es treten mehrere komplex charakterisierte Figuren auf, deren Persönlichkeiten durch interessante, teils extreme Erfahrungen und Hintergründe geprägt wurden. Das ist gut und spricht für die Fähigkeit des Autors, seinen Protagonisten Leben einzuhauchen.

So manche von deren Gefühlsregungen (und damit verbundene Handlungen) kommen für den Leser aber dennoch sehr überraschend. Warum beispielsweise Person A so unsterblich in Person B verliebt ist erschließt sich ebensowenig wie die plötzlich und unerwartet aufflammende Liebe zwischen den Figuren X und Y.

Na klar - solche für Außenstehende eher unverständlichen Emotionen gibt es natürlich in der wirklichen Welt. Aber sollte das Gefühlsleben der Hauptfiguren eines Romans für uns Leser nicht möglichst nachvollziehbar sein?

 

- - - - - Handlung könnte packender sein - - - - -

Es gibt zwischenmenschliche Verwicklungen und religiöse Konflikte, interessante Entdeckungen und ungelöste Rätsel.

Aber so ein ganz großer zentraler Konflikt, der die Spannung von Anfang bis Ende hochhält und die Geschichte vorantreibt, fehlt irgendwie. Ja sicher - es gibt die permanente Gefahr durch die Giats, aber diese bleibt meistens eine etwas diffus im Hintergrund schwebende Bedrohung, ohne direkten Einfluss auf Spannung oder Handlungsbogen. Auch manche spektakuläre Entdeckung und die damit verbundenen Geheimnisse und Probleme bleiben letztlich Nebenschauplätze.

So lebt dieser Roman eher von seiner originellen Kulisse und grandiosen Ausstattung als von allzu ausgefeilter Handlung.

 

+++++ Siehe oben +++++

Wurde der extrem coole und intelligente Weltenbau hier eigentlich schon ausreichend gewürdigt?

 

 

Das Fazit

Tolles Setting, originelle Ideen, steigerungsfähige Story


Robert Corvus

Feuer der Leere

Eine sf-Lit Rezension von 2017