George R.R. Martin

Die Flamme erlischt

"Dying of the Light"

 

1977

 

    

 

 

 

 

 

 

 

         

Übersetzung: Werner Fuchs

Penhaligon

430 Seiten

Broschierte Ausgabe 2016



 

Der Hintergrund

Schon lange bevor George R.R. Martin mit seinem Fantasy-Epos "Das Lied von Eis und Feuer" zu Weltruhm gelangte, war er den Genrefans bereits als Autor von zahlreichen Romanen und Kurzgeschichten aus den Bereichen Fantasy, Horror und besonders Science Fiction ein Begriff. "Die Flamme erlischt" war sein allererster Roman, der im Zuge der GRRM-Mania - wie so viele andere seiner Werke - in den 2010er Jahren wieder neu aufgelegt wurde.

 

 

Das Thema

Andere Welten, andere Sitten

 

 

Der Einstieg

"Ein Einzelgänger war diese Welt, ein Wanderer ohne Ziel, von der Schöpfung ausgesetzt und im Stich gelassen. Unzählige Jahrhunderte schon dauerte ihr Sturz, ein einsames, sinnloses Fallen durch den kalten, leeren Raum zwischen den Sonnen."

Willkommen auf Worlorn, dem ziel- und rastlosen Planeten und Schauplatz dieser Geschichte.

 

 

Der Inhalt

Dem Ruf seiner Jugendliebe Gwen folgend, bereist Dirk t'Larien einen exotischen und dem Untergang geweihten Planeten namens Worlorn, um sie dort aus dem Gefängnis ihrer Ehe und eines streng patriarchalischen Systems zu befreien. Aber vor Ort muss er sich dann nicht nur mit Gwens merkwürdig abweisendem Verhalten und den seltsamen Sitten der Einheimischen auseinandersetzen, sondern sieht sich außerdem mit gefährlichen und skrupellosen Feinden konfrontiert. So wird er unversehens zu einem Gejagten in dieser fremden Welt.

 

 

Form, Stil und Sprache

Martin ist ein großartiger Erzähler. In diesem Debütroman lässt er sich zwar manchmal noch etwas zu viel Zeit und wirkt gelegentlich ein wenig umständlich (siehe unten), aber trotzdem hört man ihm einfach gerne zu. Und auch wenn es sich hier um einen lupenreinen SF - Roman handelt, so sind doch bereits in diesem Erstlingswerk viele Zutaten zu erkennen, die auch für seinen späteren Fantasy-Welterfolg prägend wurden: Eine fantasievoll und aufwändig konzi-pierte Welt, das Aufeinanderprallen unterschied-licher Kulturen und Lebensentwürfe, ein undurchsichtiges Netz aus Liebe, Hass, Intrigen, Freundschaft, Ehre und Verrat... Es ist alles schon da.

 


Lob und Kritik

+++++ Eine komplexe Welt, eine durchdachte Kultur +++++

George R.R. Martin hat sich hier ein komplexes Universum mit wechselvoller Historie, zahlreichen Planeten und verschiedensten Völkern  ausgedacht (welches übrigens auch noch in anderen Martin-Storys zum Einsatz kommt, siehe z.B. "Planetenwanderer").

Obgleich sich die Handlung innerhalb eines wenige hundert Kilometer großen Radius' abspielt, bekommen wir einen genauen Einblick in die gewaltige Welt, die die Kulisse für diese Geschichte bildet.

Auch die Kultur des Volkes der Kavalaren ist sehr detailliert und stimmig ausgearbeitet. Sie wirkt absolut glaubhaft und realistisch, und dadurch werden die Handlungen der Angehörigen dieser Kultur nachvollziehbar, da man ihre Motivation und ihre Denkweise kennt.

Das ist die hohe Kunst des Weltenbaus: Eine gigantische Bühne zu erschaffen, auf der die eigentliche Geschichte dann - selbst wenn sie sich gar nicht jedes  einzelnen Details dieses Hintergrundes bedient - wunderbar präsentiert werden kann.

Was dabei jedoch nicht optimal gelingt, ist Folgendes:

 

- - - - - Zähe erste Hälfte - - - - -

Die Beschaffenheit des Planeten Worlorn, die dort für die Zeit seiner "Nutzung" errichteten Städte, die außergewöhnliche Kultur der Kavalaren - all das wird gründlich und sehr ausführlich beschrieben. Das mag zwar grundsätzlich hochinteressant, fantasievoll und vor allem für den späteren Verlauf der Geschichte wichtig sein... aber ob es dafür wirklich fast zweihundert Seiten gebraucht hätte? Bis endlich die eigentliche Handlung einsetzt, ist leider die Hälfte des Romans bereits vorbei. Dadurch wird das Lesen streckenweise zu einer recht ermüdenden Angelegenheit.

 

 - - - - - Nur mäßig sympathische Protagonisten +++++

Der Hauptcharakter in dieser Geschichte macht es uns nicht leicht. Er schwankt unentwegt zwischen verliebt und egoistisch, zwischen passiv-naiv und mutig, zwischen anhänglich und nahezu gleichgültig, zwischen verständnisvoll und uneinsichtig. Kurz: ein nerviger Typ!

Die weibliche Protagonistin ist sogar noch schlimmer: Wankelmütig und unentschlos-sen zieht es sie mal hierhin, mal dorthin. Erst sagt sie klipp und klar ihre Meinung - um dann plötzlich wieder davon abzuweichen. Und anschließend wieder zurück. Oder vielleicht doch nicht? In einem Moment tritt sie knallhart und entschlossen auf, im nächsten wirkt sie zögernd und verletzlich. Ja, was denn nun?

Wesentlich interessanter - wenngleich nicht unbedingt sympathischer - sind da schon zwei oder drei der Nebenfiguren. Aber ausgerechnet die beiden Hauptpersonen gehen einem doch ziemlich auf die Nerven.
Wohlgemerkt: realistisch erscheinen sie dabei durchaus, das muss man Mister Martin zugute halten. Nur leider
nicht allzu sympathisch... und das macht es dann eben schwer, wirklich mit ihnen mitzufühlen.

 

+++++ Atmosphäre und Stimmung +++++

Worlorn ist ein sterbender Planet. Die dort errichteten Städte sind fast menschenleer, teilweise bereits verfallen und haben längst ihre einstige Bedeutung verloren. Eine ehemals vielfältige Flora wird mittlerweile unkontrolliert von einer einzigen dominanten Pflanzenart überwuchert (bezeichnenderweise "Würger" genannt), die alle sonstige Vegetation zu ersticken droht. Mit zunehmender Entfernung wird das Sonnenlicht stetig schwächer und diffuser, was sich nicht unwesentlich auf die Gemütslage der Protagonisten - und damit nicht zuletzt des Lesers - auswirkt. Melancholie und Abschiedsstimmung beherrschen die Szenerie.

Eben diese Atmosphäre wird von George R.R. Martin überaus eindringlich beschrieben. Beeindruckend.

 

+++++ Action und Spannung +++++

Wenn in der zweiten Hälfte des Buches der Fokus endlich mehr auf der Handlung liegt, dann aber auch gleich richtig: Spannung, Angst, Gewalt, unerwartete Wendungen, Verfolgungsjagden, blutige Kämpfe auf Leben und Tod... SO viel Action hätte dann - im krassen Kontrast zum Anfang der Geschichte - vielleicht auch nicht unbedingt sein müssen. Aber andererseits: es geht richtig packend und dramatisch zu, und das macht dann eben doch mächtig Spaß! Und bei allem Krawall werden zwischendurch auch immer mal wieder ruhige und nachdenkliche Töne angeschlagen. 

Eine echte Achterbahnfahrt!

 

  

Das Fazit

Etwas Geduld und die Bereitschaft, sich auf diese Welt einzulassen, sollte man mitbringen. Wer dazu in der Lage ist, wird diesen Roman genießen können.


George R.R. Martin

Die Flamme erlischt

Eine sf-Lit Rezension von 2016