Brian W. Aldiss

Aufstand der Alten

"Greybeard"

 

1964

 

 

 

 

  

 

 

 

 

 

Übersetzung: Walter Brumm

Heyne

158 Seiten

TB - Ausgabe 1967



 

Der Hintergrund

Die hier vorgestellte erste deutsche Übersetzung dieses Romans erschien bereits 1967 unter dem Titel "Aufstand der Alten". Im Rahmen der von Wolfgang Jeschke herausgegebene Reihe "Bibliothek der Science Fiction Literatur" wurde er (als Nummer 74) im Jahr 1989 von Reinhard Heinz neu übersetzt und unter dem originalgetreueren Titel "Graubart" erneut aufgelegt. Dass jene Ausgabe mit 298 Seiten fast doppelt so umfangreich ist, liegt aber nicht an drastischen Kürzungen bei der ersten Fassung, sondern ist schlicht einem großzügigeren (moderneren) Layout zu verdanken.

 

 

Das Thema

No Future

 

 

Der Einstieg

"Das Tier glitt durch gelbes, geknicktes Röhricht. Es war nicht allein; das Weibchen folgte, und dahinter kamen fünf Junge."

So war das früher: Ein ganz gemächlicher Anfang.

 

 

Der Inhalt

Wieder einmal eine Endzeitgeschichte. Doch da sie bereits vor über fünfzig Jahren erschienen ist, kann man dem Autor schwerlich vorwerfen, dem seit "The Walking Dead" gerade aktuellen Trend zu folgen.

Es geht um eine Welt, in der seit Jahrzehnten keine Kinder mehr geboren wurden. Wie es dazu kam, wird in Rückblenden nach und nach enthüllt, ist aber für die eigentliche Handlung gar nicht unbedingt entscheidend (allerdings typisch für die Zeit, in der der Roman entstand). Erzählt werden die Erlebnisse einer kleinen Gruppe von Personen, die sich inmitten einer älter und kleiner werdenden Gesellschaft durchs Leben schlagen. Dabei begegnen sie immer wieder anderen Menschen, welche auf unterschiedlichste Weise mit den Bedingungen umgehen, und mit deren verschiedenen Lebensweisen und Zielen sie sich auseinandersetzen müssen.

 

 

Form, Stil und Sprache

Der Roman ist bereits ein halbes Jahrhundert alt, deshalb ist sein etwas altmodischer Stil nicht weiter verwunderlich. Aber dieser ist auch - nicht nur, aber zu einem beträchtlichen Teil - einer manchmal etwas steifen Übersetzung geschuldet (in der Ausgabe von 1967). Das stört aber nicht weiter, denn solche älteren Texte mit teilweise ungewohnten Formulierungen können ja durchaus ihren ganz eigenen Charme entwickeln. Die Neuübersetzung von 1991 wirkt zwar ein wenig moderner, aber insgesamt dennoch eher noch hölzerner.

 


Lob und Kritik

+++++ Interessante postapokalyptische Welt +++++

Üblicherweise werden die in Büchern oder Filmen beschriebenen Endzeitszenarien durch einen einmaligen "Schlag" ausgelöst, ein dramatisches Ereignis wie eine Naturkatastrophe oder einen Atomkrieg beispielsweise. In dieser Geschichte hingegen wurde die Welt nach und nach in einem schleichenden Prozess entvölkert und in ihrer Entwicklung zurückgeworfen. Dadurch hatten die Menschen Zeit, sich an den Gedanken an den bevorstehenden Untergang zu gewöhnen und sich - soweit so etwas überhaupt möglich ist - darauf vorzubereiten. Im Vergleich zu den sonstigen "typischen" Weltunter-gangsszenarien zieht diese ungewöhnliche Ausgangslage völlig andere Konsequenzen und Entwicklungen nach sich, welche von Brian Aldiss wunderbar beschrieben werden.

Und wer wissen möchte, woher die Idee für P.D. James' Roman "Im Land der leeren Häuser" bzw. dessen Verfilmung "Children of Men" ursprünglich stammt, kann es in diesem Buch nachlesen.

 

 - - - - - Was ist das zentrale Motiv der handelnden Personen? +++++

Wie im "Endzeit"-Subgenre nicht unüblich, macht ein klassischer Roadtrip einen Großteil dieser Geschichte aus. Doch während sonst die Protagonisten dabei meistens ein bestimmtes Ziel vor Augen haben, verfahren die Personen hier eher nach dem Motto: "Lass uns den Fluss herunter fahren und dann mal schauen, was es dort gibt. Bestimmt ist es dort irgendwie gut oder schön oder besser."

So reisen sie etwas planlos umher. Das ist für den Autor zwar eine nützliche Methode, um uns Lesern die Welt zu zeigen, in der wir uns hier befinden. Aber: Es fehlen ein echtes Ziel (räumlich wie emotional) und eine richtige Motivation, und das wirkt teilweise etwas unbefriedigend.

Allerdings ist ja vielleicht gerade diese Ziellosigkeit in solch einer Situation absolut realistisch. Das führt uns zum nächsten Punkt:

 

+++++ Glaubhafte und gut gezeichnete Figuren +++++

Es tauchen Personen unterschiedlichsten Charakters auf, die ihre Leben auf verschiedene Weise an die veränderten Verhältnisse angepasst haben. Dabei gibt es sympathische und unangenehme Zeitgenossen, optimistische wie pessimistische, diplomatische oder auch aggressive. Einfach Menschen, wie wir sie auch im wahren Leben kennen. Die Hauptfiguren werden mittels regelmäßig  eingestreuter Rückblenden ausführlich und einfühlsam charakterisiert. Sie entsprechen weder den gängigen Helden- noch Antiheldenklischees, sondern es sind ganz normale Leute, die einfach irgendwie zurecht kommen möchten.  

 

- - - - - Etwas angestaubt +++++

Wie bereits angedeutet, handelt es sich bei diesem Roman um eine aus heutiger Sicht etwas unmodern wirkende Erzählung. Das gilt sowohl für den Schreibstil und die Übersetzung(en) als auch für den eher behäbigen Handlungsverlauf.

Ist das nun gut oder schlecht? Das muss jeder für sich selbst entscheiden.

 

  

Das Fazit

Wer Lust auf eine etwas altmodische Endzeitvision ohne Zombies und Actiongewitter hat, wird mit "Aufstand der Alten" (bzw. "Graubart") bestens bedient.


Brian W. Aldiss

Aufstand der Alten (Graubart)

Eine sf-Lit Rezension von 2015