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03. Oktober 2018

Die DDR im 21. Jahrhundert

 

Heute vor genau 28 Jahren wurden zwei deutsche Staaten offiziell zu einem zusammengeschlossen - zu eben jener Bundesrepublik Deutschland mit ihren 16 Bundesländern, die wir heute kennen. Doch wie so oft in der Geschichte hätte natürlich auch alles ganz anders kommen können. WIE es denn eigentlich hätte kommen können, darüber haben sich seither schon mehrere Autoren so ihre Gedanken gemacht. Dabei herausgekommen sind Alternativweltromane, die zwar völlig unterschiedliche Geschichten erzählen, dabei aber diese spezielle Prämisse gemeinsam haben: Wie könnte die Welt aussehen, wenn die DDR noch weit über den 3. Oktober 1990 hinaus existiert hätte?

Zur Feier des Tages sollen drei davon an dieser Stelle vorgestellt werden.

 

 

Der Debütroman des Westfalen Simon Urban spielt im Jahr 2011 und beschreibt eine von Egon Krenz geführte marode und völlig abgewirtschaftete DDR, die aufgrund ihrer finanziellen Notlage dringend auf Wirtschaftshilfe aus der BRD angewiesen ist. Als jedoch ein politisch brisanter Mord geschieht, für den die Stasi verantwortlich zu sein scheint, drohen die Verhandlungen zu scheitern - was wohl das endgültige Ende der DDR besiegeln würde. Da für beide Seiten viel auf dem Spiel steht, müssen sich Ermittler aus Ost und West zusammentun, um den Fall gemeinsam zu lösen (und sich dabei gegenseitig im Auge zu behalten). Ein wortgewaltig und sprachlich ungewöhnlich erzählter Krimi, in dessen  Weltenbau sich auch mal kleinere Fehler eingeschlichen haben. Ob das damit zusammenhängt, dass der Autor aus dem Westen stammt?

 

 

 

Simon Urban:

"Plan D"

(2011)


Harald Martenstein

&

Tom Peuckert:

"Schwarzes Gold aus

Warnemünde"

(2015)

Eine Ost-West Kooperation zweier Autoren stellt dieser Roman dar, in dem die DDR ihre Existenz durch überraschende Ölfunde und den damit verbundenen gigantischen Reichtum langfristig sichern konnte. Nun sind es die Brüder und Schwester im Westen, die neidvoll auf den Nachbarn blicken, dort als Billiglöhner ihr Glück versuchen und sich dabei oft von oben herab behandeln lassen müssen.

Im reichen Osten hingegen alles eitel Sonnenschein? Nein, das dann doch nicht. Denn der real existierende Sozialismus kann einfach nicht aus seiner Haut: es wird gemauschelt und bespitzelt, Posten und Privilegien werden verschoben, es herrscht ständiges Misstrauen und ohne Beziehungen geht ohnehin nichts. Obwohl ... klingt das nicht genauso gut nach Kapitalismus? In dieser überdrehten Groteske scheinen die Grenzen zu verschwimmen. Offenbar kommt es unabhängig vom herrschenden System letztlich doch vor allem auf die Menschen an.

 

 


Der zuvor schon mit Romanen wie "Helden wie wir" oder "Am kürzeren Ende der Sonnenallee" erfolgreiche (Ost-)Berliner Thomas Brussig erzählt hier eine sehr persönliche Geschichte vor dem Hintergrund eines alternativen Geschichtsverlaufs; gewissermaßen eine fiktive Autobiographie. Den mehr oder weniger realen Erlebnissen des Ich-Erzählers Brussig, der aus Jugend und frühem Erwachsenenleben in der DDR berichtet, folgen wir dann auch noch durch spätere Jahre und Jahrzehnte, wobei man übergangslos und nahezu unbemerkt von der Realität (DDR in den 1970er- und 80er Jahren) in die Fiktion (DDR ab den 1990er Jahren) rutscht. Mehr als einmal fragt man sich verunsichert, ob es sich um wirkliche oder erfundene Ereignisse handelt. Garniert mit vielen humorvollen Einschüben (wie z.B. einem Spiel BRD - DDR bei der WM 2006) wird hier eine ebenso absurde wie berührende Lebensgeschichte erzählt. Tja, wie wäre es denn wohl verlaufen, wenn ...?

 

 

Thomas Brussig

"Das gibts in keinem

Russenfilm"

(2015)


Der Frage "Wie konnte es der DDR gelingen, über das Jahr 1990 hinaus weiter zu bestehen?" nähern sich die hier genannten Romane auf ganz unterschiedliche Weise: Da wurde sich entweder einfach weiter durchgewurschtelt wie zuvor (Plan D), eine schicksalhafte Wendung der Geschichte ausgenutzt (Warnemünde) oder ... tja ... oder es passiert einfach irgendwie so ganz nebenbei (Russenfilm).

Doch es gibt auch auffällige Gemeinsamkeiten: So handelt es sich bei allen dreien um satirische Werke; ganz so als sei das die geeignetste Weise, solch ein doch eigentlich sehr ernstes Thema anzugehen. Oder ist es einfach nur die unverfänglichste?

Ebenfalls allen gemein ist die Lust, bekannte Persönlichkeiten in anderen Rollen darzustellen. Hätten diese in einem veränderten Umfeld wohl einen ähnlichen Weg genommen? Oder gar einen vollkommen gegensätzlichen? Das sorgt in den besonders originellen Fällen für manchen Schmunzler, stellt gelegentlich aber durchaus auch Kommentare zu den erwähnten Personen dar.

 

"Die DDR im 21. Jahrhundert" stellt einen ganz speziellen, hochinteressanten Bereich innerhalb des Subgenres der sogenannten "Alternate History" dar, in dem es einiges zu entdecken gibt. Seien wir bei der Lektüre froh, dass die darin beschriebenen Welten tatsächlich nur fiktive, eben alternative Geschichten sind!