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08. Juli 2025

Der Phantastikpreis der Stadt Wetzlar geht an "Lyneham" von Nils Westerboer

 

Vorbemerkung: Heute macht es sich 'sf-Lit' mal ganz leicht - deshalb kommt hier ausnahmsweise kein eigener Kommentar, sondern einfach nur die offizielle Pressemitteilung. Sorry. Aber wenn sich schon jemand anderes die Arbeit gemacht hat (viele Grüße an Klaudia Seibel von der Phantastischen Bibliothek), dann darf man das auch mal ausnutzen. Und außerdem ist ihrem Text ohnehin nichts mehr hinzuzufügen.

Außer vielleicht: Herzlichen Glückwunsch an einen der derzeit spannendsten deutschsprachigen SF-Autoren: Nils Westerboer!


 

 

 

Der Phantastikpreis der Stadt Wetzlar wird in diesem Jahr an den Autor Nils Westerboer verliehen. Er erhält die mit 4.000 Euro dotierte Auszeichnung für sein Buch „Lyneham“, erschienen 2025 in der Hobbit Presse beim Klett Cotta Verlag.

 

Die elfköpfige Fachjury (bestehend aus Vertretern von Buchhandel, Verlagswesen, Bibliothek, Schule, Universität und Medien) hat Nils Westerboers Roman am 25. Juni 2025 aus 146 eingereichten Titeln ausgewählt. Mit auf der Shortlist der letzten drei standen „City of Trees" von Chantal-Fleur Sandjon (Thienemann) und „Antichristie" von Mithu M. Sanyal (Hanser).

 

Zum Inhalt des Buches erläutert die Jury: „Vor der sich anbahnenden Katastrophe auf der Erde retten sich die Menschen auf den fernen Mond Perm. Als sie nach Jahrtausenden im Stasisschlaf dort ankommen, finden sie nicht die verheißene, für sie geformte Welt, sondern müssen in einer feindlichen Umwelt in geschlossenen Habitaten unterkommen. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive von Henry Meadows, der ausgerechnet an seinem zwölften Geburtstag mit seinem Vater und seinen zwei Geschwistern auf Perm bruchlandet. Nach und nach versucht er zu begreifen, was es mit dieser neuen Welt auf sich hat, was die Erwachsenen verheimlichen – und wo eigentlich seine Mutter bleibt, die mit einem anderen Raumschiff nachkommen wollte. Doch Mildred Meadows ist ihrer Familie nicht nachgereist, sondern durch eine bessere Antriebstechnik um Jahrtausende voraus. Sie ist Teil der Impulsmission, die Perm für die Besiedlung vorbereiten soll – allerdings unterscheiden sich ihre Vorstellungen deutlich von denen des Missionsleiters, sodass sie ein riskantes doppeltes Spiel spielen muss, um ihrer Familie den Weg zu bereiten“.

 

Nils Westerboers Roman "Lyneham" überzeugt die Jury durch die durchdachte Bearbeitung seines eigentlichen Themas: die unbewohnbare Erde und die Frage, ob die Menschheit sich einen anderen Planeten so gestalten kann, dass er bewohnbar wird. Dabei verbindet der Roman – und das macht ihn hochaktuell – Klimafragen mit ethischen Überlegungen: Könnte man eine neue Erde auf einem anderen Planeten erschaffen? Sind Menschen automatisch Störungen in einem Ökosystem, das für sie keinen Platz hat?

Wieviel Eingriff in fremde Welten ist vertretbar, um das eigene Überleben zu sichern? Und wieweit müssen sich die Menschen neuen Gegebenheiten anpassen?

 

Doch ist trotz dieser großen Fragen die Welt, die Westerboer zeichnet, facetten- und detailreich gestaltet: Landschaft und Fauna Perms sind nicht bloßes Objekt, sondern werden durch die ständige Auseinandersetzung mit ihrer Fremdheit und Widerspenstigkeit selbst zu Handelnden. Im Gegensatz dazu bringen die Menschen von der Erde ihre gesellschaftlichen Konflikte mit, die sich nach Eintreffen des letzten Raumschiffes dramatisch verschärfen und auf engstem Raum ausgetragen werden müssen.

Trotz dieser thematischen Flughöhe bleibt Westerboer ganz nah an seinen

Figuren: Im Wechsel erzählt durch die sachliche Perspektive der Wissenschaftlerin Mildred Meadows und den noch kindlichen Blick des zwölfjährigen Henry, eröffnet sich den Lesenden ein vielschichtiges Beziehungsgeflecht, in dessen Zentrum die Familie Meadows und ihre Küche stehen – „der Ort, an dem sich Stoffwechsel und Kultur begegnen“.

Insbesondere die drei Meadows-Geschwister bleiben trotz der ihnen zugewiesenen Rollen immer auch unperfekte Teile eines Beziehungsgefüges, das einfühlsam in fein gezeichneten Momentaufnahmen eher erspürt als auserzählt wird.

 

 

Wetzlars Oberbürgermeister Manfred Wagner wird den Phantastikpreis, der seit 1983 vergeben wird, im Rahmen der 41. Wetzlarer Tage der Phantastik am Freitag, 12. September 2025, um 19 Uhr in der Phantastischen Bibliothek, Turmstraße 20, in Wetzlar, überreichen.